Unterdruck: Ein Dirk-Pitt-Roman (German Edition)
sich rückwärts in den blauen Pazifik fallen. Übermütig schlug er mit einer Schwimmflosse aufs Wasser und bespritzte seine Frau mit einem Wasserschwall, ehe er abtauchte.
Während sie sich mit einem Badetuch abtrocknete, verfolgte Loren für einige Minuten die Spur der Luftbläschen, die den Unterwasserkurs ihres Mannes markierten, dann blickte sie zum Horizont. Es war kurz nach Mittag, die Luft war kristallklar, und der saphirblaue Himmel hatte die Farbe des Ozeans. Sie ankerten mit ihrem roten Motorboot etwa eine halbe Meile vor der chilenischen Küste gegenüber einem kleinen Strandabschnitt namens Playa Caleta Abarca.
Der wuchtige Bau eines Sheraton Hotels erhob sich auf einem Felsvorsprung in der Nähe. In und um den Swimmingpool wimmelte es von sonnenhungrigen Gästen. Südlich davon und in nicht allzu großer Entfernung lag Valparaiso, Chiles farbenfrohe und traditionsreiche Hafenstadt, die in ihrer Blütezeit im neunzehnten Jahrhundert von Seeleuten »Juwel des Pazifiks« genannt wurde. Historische Gebäude erhoben sich auf den steilen Abhängen der Berge, die die Stadt umschlossen, und erinnerten Loren an San Francisco. Sie bemerkte ein großes weißes Kreuzfahrtschiff, die Sea Splendour , die in der Bucht ankerte. Barkassen transportierten im Pendelverkehr Passagiere an Land, wo sie die Strände von Viña del Mar besuchten oder Ausflüge in Chiles Hauptstadt Santiago, sechzig Meilen weiter im Südosten, unternahmen.
Eine leichte Dünung ließ das Motorboot sanft schaukeln, während Lorens Blick über das Meer wanderte. Ein kleines gelbes Segelboot glitt vorbei und schwenkte mit flatterndem Dreieckssegel nach Norden in Richtung eines sich nähernden Frachters. Loren lehnte sich auf der gepolsterten Bank zurück, schloss die Augen und gab sich den wärmenden Sonnenstrahlen hin.
Sechzig Fuß unter ihr gewöhnte sich Dirk Pitt gerade an die Kälte, die dank des Humboldt-Stroms die Küstengewässer des Landes durchdrang. Sein Atem hatte sich beruhigt, während er seine Tauchgeschwindigkeit verringerte. Die Sicht war gut, etwa vierzig Fuß, und gestattete ihm den ungehinderten Blick auf einen felsigen Untergrund, der mit Seetang dicht bewachsen war. Träge mit den Flossen paddelnd, trieb er über einen mit Korallen besetzten Felsgrat hinweg, der mit bunten Seeigeln und Seesternen bevölkert war. Ein kleiner Schwarm Stachelmakrelen beäugte ihn eine Minute lang und ergriff dann blitzartig die Flucht.
Im Meer konnte sich Pitt entspannen wie an keinem anderen Ort. Viele empfanden die Umgebung als beengend, aber bei Pitt erzeugten die Tiefen des Ozeans ein seltsames Gefühl von Freiheit, das gleichzeitig – wie er glaubte wahrnehmen zu können – seine Sinne schärfte. Es war eine Erfahrung, die er Jahrzehnte zuvor gemacht hatte, als er den größten Teil seiner Jugend mit der Erforschung der Buchten an der Küste Südkaliforniens, mit Tauchen und mit Bodysurfen verbracht hatte. Der Reiz, den diese Aktivitäten auf ihn ausübten, glich dem des Fliegens, weshalb er zuerst die Air Force Academy besuchte und anschließend als junger Offizier eine Flugausbildung absolvierte.
Doch die Anziehungskraft des Meeres verleitete ihn, die Fliegerei zu verlassen und auf eine vielversprechende militärische Karriere zu verzichten, um in eine neu gegründete bundesstaatliche Organisation, die National Underwater and Marine Agency, einzutreten. Geschaffen, um die Weltmeere zu erforschen und zu schützen, war die NUMA für Pitt das ideale Zuhause, da sie ihm gestattete, überall auf der Welt auf dem Meer oder unter Wasser tätig zu sein. Nach Jahren in der Position als ihr Direktor für Sonderprojekte leitete er nun die Agentur und fühlte sich mehr denn je dem Kampf um den Schutz der Ozeane verpflichtet. Loren bemerkte des Öfteren scherzhaft, dass sie noch immer mit Pitts erster großer Liebe, dem Meer, konkurriere.
Pitts Suche nach Unterwassergeheimnissen und sein Interesse für Geschichte hatten ihm zur Entdeckung dutzender Schiffswracks verholfen. An diesem Nachmittag aber war das Objekt seiner Suche um einiges kleiner. Er nahm den breiten zerklüfteten Felsgrat, der sich in unerreichbaren Tiefen verlor, ins Visier, schwamm hinüber und untersuchte seine Spalten und Risse. Nach mehreren Minuten fand er, wonach er Ausschau hielt. Er schob einen Arm in die Aushöhlung zwischen zwei Felsblöcken und zog einen stachligen, braunen Hummer heraus, der sich heftig wehrte. Dann betrachtete er einen Moment lang seine langen,
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