Unterdruck: Ein Dirk-Pitt-Roman (German Edition)
schrie einstimmig auf, als die Hörner des Stiers den Leib des Fahrers durchbohrten und fast am Rücken wieder austraten. Indem er den Kopf hochwarf, hievte der Stier den aufgespießten Mann in die Luft und stolzierte ein paar Schritte mit ihm weiter, ehe er den schlaffen, bluttriefenden Körper in den Sand fallen ließ.
Pitt hörte einen verzögerten einzelnen Schrei aus dem Publikum und drehte sich um. Nicht weit entfernt hinter der Schutzwand am Rand der Arena rang Ann Bennett mit Pablo. In einer schnellen Bewegung hob der schwergewichtige Pirat die Frau hoch und warf sie über die Holzwand in die Stierkampfarena. Da ihre Hände noch gefesselt waren, landete sie unbeholfen und stürzte sofort. Sie wollte gleich wieder aufstehen, als ein brennender Schmerz durch ihren Knöchel schoss. Sie konnte nur noch auf einem Fuß stehen.
Durch seine erfolgreiche Attacke in einen Blutrausch versetzt, fixierte der Stier Ann für einen kurzen Moment und schnaubte. Dann senkte er den Kopf und griff die Frau an.
Die beiden banderilleros und der Matador spurteten mit lautem Gebrüll quer durch die Arena, doch der Stier beachtete sie nicht einmal. Sie waren viel zu weit entfernt, um das Interesse des Stiers zu wecken. Pitt hingegen stand näher.
Er sprang auf, rannte los und hob dabei die zerfetzte Muleta auf. Mittlerweile befand sich der Stier in vollem Lauf und war weniger als zehn Meter von Ann entfernt.
Sie versuchte, zur Schutzwand zu humpeln, kam aber wegen der Schmerzen in ihrem Fußgelenk kaum vom Fleck. Ihr Herz hämmerte, als sie den Stier auf sich zustürmen sah, dann blieb sie ebenso stocksteif stehen wie der Pick-up-Fahrer kurz zuvor. Ihre Angststarre wurde jedoch durch einen lauten Ruf gelöst.
» ¡Toro! ¡Toro! «
Sie fuhr herum und sah Pitt herankommen und wild mit der Muleta winken. Der Stier warf nur einen kurzen Blick auf den hochgewachsenen rennenden Mann mit dem hellroten Tuch – und schnappte nach diesem Köder.
Ann spürte den heißen Atem der Bestie, als sie im letzten Moment abschwenkte und Pitt aufs Korn nahm.
Er rutschte durch den Sand, während ihn der Stier überholte. Er streckte die Muleta zur Seite und schüttelte sie, um den Stier von sich abzulenken. Donatello folgte der Bewegung sofort. Er stürmte auf das Tuch zu und hindurch, wobei seine spitzen Hörner mit einem Abstand von nur wenigen Millimetern an Pitts Körper vorbeiwischten.
Pitt riss das Tuch in die Höhe, während der Stier danach stieß, dann wirbelte er herum, um es im Auge zu behalten. Er war viel zu sehr darin vertieft, um sein Leben zu kämpfen, um den Applaus und die begeisterten Olé -Rufe der Zuschauermenge bewusst wahrzunehmen. Dann schüttelte er die Muleta und machte abermals einen schnellen Schritt zur Seite, als der Stier erneut losstürmte.
»Gestatten Sie, señor «, sagte der Matador, während er mit verwirrter Miene angerannt kam.
Mit Hilfe eines banderilleros trieb der Matador den Stier in die Mitte der Arena, während zwei andere Männer die Leiche des Pick-up-Fahrers bargen.
Pitt drehte sich zu Ann Bennett um und konnte beobachten, wie sie von Giordino auf die Tribüne gehoben wurde. Er ging weiter bis zur Schutzwand und ergriff Giordinos ausgestreckte linke Hand. Unter dem donnernden Applaus der Stierkampfbegeisterten kletterte Pitt über die Barriere. Bleich und am ganzen Leib zitternd, ergriff Ann seinen Arm. »Der Stier hätte mich zerfleischt, wenn Sie nicht gewesen wären. Was Sie getan haben, war zwar vollkommen verrückt, aber vielen Dank.«
Pitt reagierte mit einem müden Grinsen. »Sie vergessen, dass ich in Washington arbeite. Dort muss ich ständig gegen tollwütige Stiere kämpfen.«
Dann wurde seine Miene ernst, und er schaute sich suchend um. »Wo ist Ihr Entführer – Pablo?«
Ann schüttelte den Kopf. Giordino suchte bereits die Zuschauerränge ab, hatte jedoch keinen Erfolg.
Der große Mann hatte sich in der Menge klein gemacht und war verschwunden.
20
»Ich denke, wir sollten keine Zeit verplempern und nicht lange mit den Behörden palavern«, sagte Giordino und deutete mit einem Kopfnicken auf einen Angestellten der Stierkampfarena, der mit zwei Wachmännern quer durch das Stadion auf sie zukam.
»Dann nichts wie weg von hier«, sagte Pitt und legte einen Arm um Ann Bennetts Taille.
Sie machte einen vorsichtigen Schritt mit ihrem verletzten Bein, dann klammerte sie sich Halt suchend an Pitts Schulter, als erneut ein stechender Schmerz durch ihren Knöchel zuckte.
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