Unterdruck: Ein Dirk-Pitt-Roman (German Edition)
herrscht wahrscheinlich kein Mangel an Weltmächten, die sich diese Technologie liebend gern aneignen und sie einsetzen würden. China und Russland dürften auf einer entsprechenden Liste ganz oben stehen. Vielleicht haben sie jemanden vorgeschickt, der für sie die Kastanien aus dem Feuer holt.«
»Vergessen Sie nicht die Iraner.« Fowler gab Gas, um noch bei gelbem Ampelsignal über eine Kreuzung zu fahren. Er bog in die King Street ein, eine Hauptverkehrsader, die Alexandria praktisch in zwei Hälften zerschnitt.
»Die Angreifer waren ziemlich dreist«, sagte Ann, »und dabei bestens informiert.«
»Für mich klingt es so, als seien sie absolut furchtlos gewesen.«
»Denken Sie jetzt das Gleiche, was ich denke?«, fragte Ann.
»Und was ist das?«, konterte Fowler mit einer Gegenfrage und lenkte den Wagen in eine Nebenstraße.
»Sie hatten Hilfe von innen. Es muss ein Sicherheitsleck existieren, wahrscheinlich sogar auf höchster Ebene.«
»Durchaus möglich, aber Sie wissen doch selbst, wie viele geheime Informationen den Weg in die Presse finden. Da war es sicher nicht schwierig, sich zusammenzureimen, dass Heiland an einem wichtigen Projekt arbeitete. Und da er nicht in einer gesicherten Umgebung tätig war, bot er ein leichtes Ziel.«
»Da könnten Sie recht haben.« Ann Bennett deutete die Straße hinunter. »Ich wohne dort hinten auf der rechten Seite, gleich nach der großen Eiche.«
Fowler entdeckte am Bordstein eine Parklücke und stoppte hinter einem Wagen, dessen Motor im Leerlauf schnurrte und dessen Scheinwerfer nicht angeschaltet waren. Ann erkannte das Fabrikat; es war eine Chrysler-360-Limousine.
»Warum gönnen Sie sich morgen keinen freien Tag?«, fragte Fowler. »Sie sind in den letzten achtundvierzig Stunden ziemlich heftig in die Mangel genommen worden und könnten wahrscheinlich ganz gut ein wenig Ruhe vertragen.«
Fowler unterbrach die Zündung des Motors, und Ann stieg aus. Als sie sich in den Wagen lehnen wollte, um ihre Krücken herauszuholen, wurde sie von hinten gepackt. Sie erhaschte nur einen kurzen Blick auf ihren Angreifer, einen hochgewachsenen Schwarzen, der seine Arme um sie schlang und sie auf einen kleinen Rasenfleck schleuderte. Blitzschnell folgte ihr der schwere Mann, rammte ihr ein Knie ins Kreuz und drückte ihr Gesicht mit einer tellergroßen Hand nach unten ins Gras. Sie warf sich hin und her, wollte sich freikämpfen, gab jedoch ihre Bemühungen auf, als sie spürte, wie eine Pistolenmündung gegen ihre Schläfe gedrückt wurde.
»Wag noch nicht mal zu atmen«, sagte der große Mann drohend.
Sie hörte Fowler aufschreien, gefolgt von dumpfen Lauten, als jemand auf ihn einschlug. Ein paar Sekunden später klimperten Wagenschlüssel, und der Kofferraum des Ford wurde geöffnet. Aus den Augenwinkeln beobachtete Ann, wie ein zweiter Mann etwas auf den Rücksitz des Chrysler legte und sich dann hinters Lenkrad schwang. Der Mann, der auf ihrem Rücken kniete, beugte sich hinab und blies ihr seinen stinkenden Atem ins Gesicht. »Und jetzt bleib fünf Minuten ganz still liegen, sonst muss der gute alte Clarence zurückkommen und dir wehtun.«
Er erhob sich von ihr, schlenderte zum Chrysler hinüber und stieg ohne Eile auf der Beifahrerseite ein. Der Wagen schoss mit quietschenden Hinterreifen vorwärts und raste die Straße hinunter. Ann hob den Kopf, um einen Blick auf das Nummernschild zu werfen, das jedoch mit ein paar Streifen Klebeband unkenntlich gemacht worden war. Profis, dachte sie. Nach dem nächsten Block würden sie das Klebeband entfernen, sich in den fließenden Verkehr einreihen und darauf achten, innerhalb der Geschwindigkeitsbeschränkung zu bleiben.
Ann sprang auf und humpelte zur anderen Seite des Taurus, wo Fowler neben dem Vorderrad bäuchlings auf dem Erdboden lag.
»Dan«, rief sie entsetzt und ging neben ihm auf die Knie hinunter.
Flatternd schlug er die Augen auf und kämpfte sich in eine sitzende Position hoch.
»Ich bin okay.« Er massierte sein Kinn. »Das habe ich nicht kommen sehen.« Sein Blick richtete sich auf Ann. »Sind Sie verletzt?«
»Nein, mir geht es gut. Aber das war kein wahlloser Überfall.« Sie deutete mit einer Kopfbewegung auf den offenen Kofferraum.
»Nicht die Pläne und Protokolle!«, rief Fowler und kam auf die Füße. Indem sie sich gegenseitig stützten, gingen sie zum Wagenheck und starrten in den Kofferraum.
Darin stand Ann Bennetts Reisetasche. Und sonst nichts.
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Zum Gedenkgottesdienst für Joe
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