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Untergrundkrieg

Titel: Untergrundkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Arbeit in der Fabrik ganz auf.
    Als ich mich bei ihm nach Eijis Kindheit erkundigte, sagte er: »Da fragen Sie besser meine Frau. Ich hatte mit der Kindererziehung nicht viel zu tun.« Wahrscheinlich hatte er wirklich zu viel Arbeit, um sich mit den Kindern zu beschäftigen, aber zugleich hatte ich den Eindruck, dass es für ihn auch zu schmerzhaft war, über Eiji zu sprechen.
    Während unseres Gesprächs wurde häufig wiederholt, was für ein anspruchsloser Junge Eiji gewesen sei. Offenbar war er schon als Kind sehr selbständig gewesen und hatte seinen Eltern niemals Kummer bereitet. Bis zu dem Tag, als man ihnen ohne ein Wort der Erklärung seine Leiche sandte …

    Eijis Mutter: Eiji wurde um 5.40 am 1. April geboren. Ich hatte das Gefühl, dass es nicht mehr bis zum Morgen dauern würde, und wir machten uns bei Tagesanbruch gegen vier Uhr auf den Weg zur Hebamme, die ungefähr einen Kilometer von uns entfernt wohnte. Kaum waren wir dort, als Eiji auch schon auf die Welt kam.
    Es war eine leichte Geburt, denn er wog nur 2700 Gramm, viel weniger als sein älterer Bruder, der 3750 wog. Eiji war also viel kleiner. Die Geburt ging ohne jede Komplikation vonstatten, und in eineinhalb Stunden war alles überstanden. Wir mussten nicht mal einen Arzt rufen. Bei seinem älteren Bruder war es viel schwieriger.
    Nur dass Eiji lange Zeit keine normale Milch trank. Er wollte nur Muttermilch. Bei seinem älteren Bruder war das nicht so gewesen.
    Also blieb mir nichts anderes übrig, als Ziegen zu halten. Gras hatten wir ja genug. Ich trank die Ziegenmilch, um mehr Muttermilch für Eiji zu haben. So wurde er ein gesundes Kind. Nur mit Muttermilch. Er war zwar immer mager, aber nie krank. Wir mussten ihn kein einziges Mal ins Krankenhaus bringen.
    Sonst war er ein sehr anspruchsloses Kind. Vollkommen selbständig. Er konnte immer alles allein. Als er sich in Tokyo bei seiner Firma vorstellen musste, fragten wir, ob ihn jemand begleiten sollte. Da sagte er ganz ärgerlich: »Warum soll mich denn da einer begleiten? Ich fahre allein.« ( Lacht ) Als er allein wohnte, wollte ich bei ihm saubermachen. Gleich hieß es: »Saubermachen kann ich selbst.« In den vergangenen zehn Jahren musste ich nur dreimal etwas für Eiji tun: Bei seiner Verlobung, bei seiner Hochzeit und als wir seine Leiche abholten.
    Unser ältester Sohn ist ein ruhigerer Typ, aber Eiji war so fix und voller Energie. Ehe wir uns versahen, hatte er schon immer alles selber gemacht. Er kochte sogar für sich selbst. Wir hatten niemals Mühe mit ihm. Er traf auch alle seine Entscheidungen allein.
    Als es Zeit für die Oberschule wurde, schlug ich ihm vor, eine allgemeine Oberschule zu besuchen, damit er danach die Möglichkeit hätte zu studieren. »Ich interessiere mich für Elektronik, also gehe ich auf eine Berufsfachschule. Mehr ist nicht nötig«, entschied er und suchte sich selbst eine Fachschule für Elektriker aus. Dann einigte er sich mit seinem älteren Bruder, dass dieser im Dorf bleiben und den Hof übernehmen sollte. Eiji wollte stattdessen in die Stadt auf eine Schule für Elektrotechniker gehen.
    Unser Ältester hat auch eine Zeit lang in Tokyo studiert, aber er hielt das hektische Stadtleben nicht aus. Schließlich besuchte er doch lieber die Landwirtschaftliche Hochschule hier. Eiji war ganz anders. Er kam überall zurecht und hat sich sofort an das Leben in der Stadt gewöhnt.
    Obwohl die beiden Brüder so verschieden waren, haben sie sich gut verstanden und nie gestritten. Ich hatte doch immer so furchtbar viel Arbeit und nie die Zeit, mich richtig um die Kinder zu kümmern. Das haben die Großeltern übernommen.
    Eiji hat nach der Schule bei Japan Tobacco angefangen, nachdem er ein Jahr in einem Ausbildungszentrum der Firma in Nagaoka verbracht hat. Das war 1983. Der Mann meiner Schwester hatte die Idee, dass Eiji bei JT anfangen sollte. Um die Zeit wurden überall Computer eingeführt. Beim Vorstellungsgespräch hat Eiji gesagt, dass er sich für Computer interessiere und gern damit arbeiten würde. Deshalb haben sie ihn wahrscheinlich eingestellt. Die Prüfungen waren sehr schwer, und in dem Ausbildungszentrum in Nagaoka hatten die meisten vorher ein Studium absolviert. Nur zwei waren Schulabgänger. Insgesamt waren es zwölf Auszubildende.
    In Nagaoka lag ein Meter Schnee, als Eiji dort ankam. Also wollte er Skifahren lernen und bat mich um Geld für eine Skiausrüstung. Das habe ich ihm auch geschickt. Danach interessierte er sich nur noch

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