Unterholz: Alpenkrimi (German Edition)
künstreicher Moler soll werden, der muß ganz van Jugend auf darbei erzogen werden. Doch geh durch den Staub zu den Sternen! Item bevor der gelahrige Schüller eine prechtige Baumkrone molt, muß er zuvor dausend struppichte Underhölzer gezeichnet haben.
Albrecht Dürer (1471 – 1528)
Hölleisen und der Rest der getarnten Einsatztruppe waren gerade dabei, die Türen des Zivilfahrzeugs zu öffnen, als Ignaz und Ursel Grasegger winkend und schreiend auf den Wagen zueilten. Jennerwein konnte im letzten Augenblick in den Fußraum hinter den Fahrersitz hechten. Das fehlte gerade noch, dass ihn die Graseggers als falschen Waldgeist sahen.
»Wir haben für euch momentan überhaupt keine Zeit«, sagte Hölleisen ruppig. »Ihr seht ja: Wir müssen weg.«
»Das haben wir uns schon gedacht«, sagte Ursel. »Aber sagt einmal: Geht ihr zum Schwammerlsuchen? So, wie ihr angezogen seid! Wir können euch ein paar gute Plätze empfehlen. Kurz vor Griesen wachsen die besten Pfifferlinge.«
»Wir müssen jetzt«, sagte Hölleisen.
»Aber unsere staatsbürgerliche Pflicht! Unser täglicher Sichtvermerk! Wir sind gekommen, um uns zu melden.«
»Heute braucht ihr euch nicht zu melden, das gilt schon so. Jetzt müssen wir fahren.«
»Nein, wir bestehen drauf, wir nehmen die Bewährungsauflagen sehr genau. Ihr könnt uns nicht einfach so abwimmeln!«
»Das können wir schon, wir sind unterwegs zu einem Einsatz. Gefahr im Verzug. Und jetzt –«
»Und außerdem haben wir was für euch«, unterbrach Ignaz. »Wir haben ein Handy gefunden. Unterhalb der Törlspitze, auf der Prattinger-Wiese.«
»Gut, gib her, danke«, sagte Hölleisen ungeduldig. »Jetzt muss ich euch aber schon ganz dringend bitten –«
»Mit dem Handy hat es eine besondere Bewandtnis«, sagte Ignaz. »Wir haben vorgestern Abend SOS-Zeichen auf der Törlspitze beobachtet. Wahrscheinlich war da jemand in Bergnot. Wir haben die Bergwacht angerufen, von denen haben wir aber nichts mehr gehört.«
»Das hat uns keine Ruhe gelassen«, fügte Ursel hinzu. »Darum sind wir gestern Nachmittag zur Prattinger-Wiese gegangen. Die liegt genau unterhalb der Törlspitze. Und da haben wir das Handy gefunden. Es sieht so aus, als ob es von oben heruntergefallen ist.«
Das saß. Das ließ die verkleideten Ermittler in ihren Bewegungen innehalten.
»Die Bergsteiger!«, entfuhr es Nicole Schwattke.
Ursel und Ignaz hatten diesen Dreistufenplan beim Hergehen entwickelt. Das Ablenkungsmanöver, mit dem sie Swoboda in der Pension Üblhör ungestört arbeiten lassen konnten, sollte mindestens eine halbe Stunde dauern. Vielleicht konnte man auch mehr Zeit herausschinden.
»Aber womit können wir den Jennerwein beschäftigen?«, hatte Ignaz gefragt. »Die tägliche Meldepflicht genügt vielleicht nicht.«
»Wie wäre es mit Folgendem: Wir geben zu, dass wir im Besitz eines gestohlenen Goldbarrens sind. Das ist ein richtig fettes Delikt, und er muss es aufnehmen.«
»Du willst das Gold opfern? Und unsere Bewährung? Ich habe eine andere Idee. Wir zeigen ihnen das Handy. Wir erzählen von den Blinkzeichen, und ein paar wilde Geschichten dazu. Von einem Schrei auf der Prattinger-Wiese, von einem Wimmern. Von weiteren Funden. Wir haben ja nichts zu verlieren.«
»Da vorne sind sie eh schon.«
Und so war es gekommen. Alle im und um das Auto herum einschließlich Jennerwein horchten auf. Was war das jetzt wieder für eine Sache! Hatte das etwas mit den beiden Bergsteigern zu tun, die sich gemeldet hatten? Deren Anruf so dringend gewesen war, und dessen fg … rrr … fg … dann schließlich im Funkloch verschwunden war?
»Am besten wäre es, wir sperren die beiden ein, bis der Einsatz vorüber ist«, zischte ein Schwammerlsucher zu seinem leitenden Wurzelgeist ins Auto.
»Aus welchem Grund denn?«, flüsterte der zurück.
»Aber sag einmal, Hölleisen«, legte Ursel nach, »willst du denn das Handy nicht in eine Beweissicherungstüte tun? Wegen der Fingerabdrücke! Ich will mich nicht einmischen, aber es könnte sich doch um ein Verbrechen handeln!«
»Jetzt reicht’s aber!«, sagte Nicole Schwattke in scharfem Ton. »Lassen Sie uns bitte unsere Arbeit tun. Sie behindern einen Polizeieinsatz.«
Jennerwein überlegte. Sollte er diesem undurchsichtigen Ehepaar polizeiinterne Informationen preisgeben? Alle im Team schienen auf eine Entscheidung von ihm zu warten. Ihm blieb nichts anderes übrig, als einen Beamten hierzulassen, um die Graseggers festzuhalten. So ein Mist!
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