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Unterholz: Alpenkrimi (German Edition)

Unterholz: Alpenkrimi (German Edition)

Titel: Unterholz: Alpenkrimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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Holzstapel. Sie blieb in Deckung und sah sich um. Die Äbtissin war nirgends zu sehen. Als sie um einen Mauervorsprung lugte, fiel ihr Blick die Almwiese hinunter.
    »Kommen Sie alle schnell hierher!«, rief sie aufgeregt. »Da, sehen Sie mal! Da unten ist sie! Aber sie hat sich selbst ausgetrickst!«
    Rucksäcke wurden abgeworfen, Waffen wurden ausgerichtet, und alle rannten die steile Wiese hinunter, auf die Äbtissin zu. Sie saß in der Falle. Das war die Gelegenheit, sie zu stellen. Die Äbtissin war inzwischen noch ein Stück weiter in die Schleuder aus Draht gerutscht.
    »Alle in Deckung!«, rief Jennerwein plötzlich. »Nicht weitergehen! Hinwerfen! Wenn sie den Stamm lösen kann, werden die Drähte zurückschnellen! Und zwar direkt auf uns zu.«
    Die Äbtissin befand sich zehn Meter entfernt, und sie saß immer noch in der Falle. Doch nicht mehr lange, denn mit einem schmatzenden Geräusch rutschte der Holzstamm unter dem Draht durch, und die gespannte Bogenschnur, die keinen Pfeil mehr hatte, schnellte tatsächlich zurück, direkt auf die Beamten zu. Nur einen Meter von Nicole Schwattke entfernt riss der durch die Belastung brüchig gewordene Draht, und mit einem eigenartigen Schnurfzen und Schnoddern schnellte er wieder zurück. Niemand war getroffen worden.
    »Verdammt!«, rief Nicole Schwattke. »Das gibts doch gar nicht. Sie ist uns auf so einer shitty Holzriese entkommen!«
    Jennerwein sah furchtbar aus. Sein Hals und seine Arme waren inzwischen blutverkrustet. Doch seine Augen glühten wie Kohlen. Er zitterte und bebte vor Wut.
    »Noch nicht ganz!«, rief er. »Sie kann noch nicht weit gekommen sein. Wir fahren ihr nach.«
    »Wie bitte?«, sagte Maria Schmalfuß. »Wie sollen wir ihr nachfahren? Etwa auf diesen Baumstämmen?«
    »Ja, aber wir verwenden zwei Holzstämme.«
    »Hubertus, das ist viel zu gefährlich!«
    »Den einen lassen wir vorrutschen, auf den hinteren setzen wir uns. Hölleisen, sind Sie bereit?«
    Hölleisen war schon unterwegs nach oben zum Geräteschuppen des Wirtschaftsgebäudes. Dort riss er zwei große Zapine von der Wand, um damit zwei Holzstämme in die Riese zu ziehen.
    »Nicole und Maria«, fuhr Jennerwein fort, »Sie beide laufen zu der kleinen Stahlstütze, die Sie dort drüben sehen. Das müsste die Einfüllstation für die Milchleitung sein, mit der die Milch früher ins Tal transportiert wurde. Ganshagel hat sie zu einem Karrenschlepplift umgebaut, versuchen Sie, ihn in Betrieb zu setzen. Soweit ich weiß, hat Becker damit ein paar Geräte aus dem Tal heraufgefahren. Die Lore müsste zwei Personen tragen, fahren Sie damit nach unten und behalten sie das Gelände genau im Auge. Steigen sie aber sofort aus, wenn Gefahr droht. Stengele –«
    »Schon verstanden«, sagte der Allgäuer. »Ich laufe zu Fuß runter. Für den Fall, dass dieses Luder irgendwo unterwegs abgestiegen ist.«

    Hölleisen und Jennerwein passierten den durchgerissenen Zaun. Der vordere Stamm schoss voraus, an ihm konnten sie sich orientieren, ob sie in eine Kurve oder in eine Bodensenke fuhren. Jeder hielt seinen Zapin fest in der Hand, um notfalls bremsen zu können – falls das überhaupt möglich war. Nachdem sie den Zaun hinter sich hatten, legte sich die Bahn in eine leichte Kurve.
    »Sie führt wahrscheinlich in Serpentinen nach unten«, schrie Hölleisen. »Ist ja auch logisch. Sonst wären die Stämme früher nicht zu kontrollieren gewesen.«
    Beide spähten in die Tiefe. Die holpernden und krachenden Geräusche der Geschosse, auf denen sie saßen, nahmen zu. Auch ihr Tempo erhöhte sich, es war keine Unterhaltung mehr möglich, die beiden hatten alle Hände voll zu tun, den Lärchenstamm, auf dem sie saßen, mit Hacken, Gewichtsverlagerung und Fußtritten zu kontrollieren. Es war ein atemloser Höllenritt.

    Maria und Nicole waren inzwischen an dem kleinen Schuppen angekommen, in dem sich die Bergstation der ehemaligen Milchleitung befand.
    »Becker!«, rief Nicole ins Telefon. »Ich bin hier oben auf der Alm. Wie kann ich diese Transportlore entsperren?«
    »Was wollen Sie denn damit?«
    »Schnell, es eilt.«
    Becker erklärte es ihr in wenigen Worten. Haupthebel nach links. Einrasten lassen. Einen Knopf drücken, eine Sicherung überbrücken. Kurz darauf hockten sie auf dem unebenen Boden des kleinen, vergitterten Lorenwagens. Sie kamen ziemlich langsam voran, sie ratterten auf rostigen Schienen bergab, vermutlich parallel zur Holzriese. Das Getöse war enorm. Maria blickte vorsichtig und

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