Unterholz: Alpenkrimi (German Edition)
Händen zu. Die Volksschauspielerin Leopoldine Schmiëd (gesprochen Schmi-ed, nicht etwa prosaisch Schmied), die in vielen Heimatfilmen mitgespielt hatte, hatte dagegen eine andere, wesentlich derbere Technik der nasalen Einfuhr von Drogen. Die Schmiëd schaufelte eine breite Allee, die an der Loisach entlangführte, mit einem gefalteten Prospekt des Kurorts auf, sie nahm die Ladung mit der Pappe hoch und kippte sie sich abwechselnd in beide Nasenlöcher. Ihre herrlichen Nasenvorhöfe wurden allseits gerühmt.
Der Michl stand draußen vor der Almhütte. Er hatte einen Blick durchs Fenster hineingeworfen und ein paar Skizzen gemacht, das hatte ihm schon genügt. Möbius, der ebenfalls unter den Gästen gewesen war, trat vor die Tür.
»Die Skizzen wirfst du alle weg«, sagte er.
»Warum denn?«, sagte der Michl bockig.
»Keine Widerrede. Diese Bilder braucht es nicht.«
»Warum braucht es dann überhaupt Bilder?«
Frank Möbius wurde ärgerlich.
»Gib her, ich mach das für dich.«
Er riss ihm die Skizzen aus der Hand, ging wieder hinein und verbrannte sie im authentisch lodernden Kaminfeuer. Dass der Michl auf Skizzen vor Ort gar nicht angewiesen war, dass der Michl sich die Motive bis ins kleinste Detail merken konnte, das wusste Möbius wohl. Aber er hoffte, dass der Michl zu faul war, diese Koks-Sause zu verewigen. Frank Möbius ging wieder hinein. Er war dem Stoff nicht direkt zugeneigt, er schnupfte sozusagen Geld, aber er war dabei, weil er hier neue Käufer für die Bilder anwarb. Der alte Wolzmüller stand mitten im Raum. Er hatte sein bestes Stück Tracht angezogen, er gab diesem und jenem die Hand.
»Schön hast du es hier heroben, Andreas! Das pralle Leben!«, sagte der Bürgermeister. Wohlgemerkt: der damalige Bürgermeister.
»Sell woll.«
»Probier einmal, Bauer«, sagte Möbius. »Es ist wie Schnupftabak.«
Und der Wolzmüller zog sich eine Linie in sein Almbauernhirn, dass es nur so rauschte.
»Herrschaftseiten, des is a guada Schmaizler!«, rief er, ohne dass ihn jemand groß beachtete. Und er nahm noch eine Prise, und noch eine, und er pöschelte sich voll, lief nach draußen, sang almerische Lieder, brach schließlich auf der steilen Almwiese zusammen. Zum Schluss lief sogar sein langes Almbauernleben an ihm vorüber. Der Schickeria-Zahnarzt stellte den Totenschein aus, er behauptete, er hätte das schon öfters gemacht – und eingegraben wurde Vater Wolzmüller dann tatsächlich von den jungen Graseggers. Wenigstens in diesem Punkt hatten sie nicht gelogen.
32
»In diesem Baum steckt Leben!«, flüsterte Galadriel. Langsam drückte sie stärker auf die Rinde, und der starke Ahorn begann zu ächzen und zu knarzen. Dann war es wieder still, nur ein wisperndes, aufgeregtes Rascheln ging durchs Unterholz.
J. R. R. Tolkien, »Der Herr der Ringe«, irgendwo im unendlichen Seitenmeer des zweiten Bands.
Ein Knacken in zehn Meter Entfernung, und alle erstarrten.
»Gehen wir weiter«, sagte Stengele. »Es war nur ein Tier.«
Trotzdem dachten alle nur an eines. Der Tunesier konnte in der Nähe sein. Der Tunesier konnte sie hier alle drei erledigen.
»Ist es möglich, dass er uns in den Wald gelockt hat?«, flüsterte Nicole.
»Möglich ist alles. Aber ich glaube, er verschwendet keine Zeit damit, uns aufzulauern. Er hat ein festes Ziel, und dorthin ist er unterwegs.«
»Er will den Bürgermeister ausschalten? Oder zumindest bedrohen? Ausgerechnet ihn?«
Stengele schüttelte den Kopf.
»Das glaube ich nicht. Er wird nicht so dumm sein, uns nach einer Adresse zu fragen und dann dort hinzumarschieren. Es ist eine Finte. Er will uns beschäftigen. Trotzdem ist es natürlich nötig, den Bürgermeister in Sicherheit zu bringen. Wir müssen jemanden zu seinem Schutz abstellen.«
Stengele riss im Gehen ein Blatt aus einem niedrigen Busch.
»Schauen Sie her: eine Spur.«
»Wir sehen nichts.«
Er hielt Nicole und Hölleisen das gezackte, dunkelgrüne Blatt mit dem unregelmäßigen Belag vor die Nase.
»Durch den Pollenflug lagert sich der Blütenstaub auf den Blättern ab. In diesem Fall ist es das Mehl der Brennnesselpollen. Die Wischspuren sind deutlich zu erkennen, sie beginnen breit und enden spitz. Das zeigt uns die Richtung, in der unsere Zielperson gelaufen ist. Dazu noch die Fußspuren und die abgeknickten Zweige. Ich habe vorher die Landkarte genau studiert. Und ich habe auch schon eine Idee, wohin er geflohen sein könnte. Folgen Sie mir.«
Stengele legte ein gutes Tempo
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