Unterholz: Alpenkrimi (German Edition)
vor. Ab und zu flatterte ein Vogel auf, oder ein Reh knatterte durch die Büsche. Dann klingelte Nicoles Mobiltelefon.
»Hallo, hier ist Maria. Wo sind Sie? Haben Sie seine Spur aufgenommen?«
»Wir sind im Wiedauer Wald, wir gehen in Richtung der alten Forststraße am Gsteig. Ist bei Ihnen alles in Ordnung?«
»Alles okay.«
Nicole gab das Telefon an Stengele weiter.
»Hallo, Frau Schmalfuß. Wir kreuzen gerade den aufgelassenen Forstweg, der früher von Mittenwald in den Kurort geführt hat. Wir gehen noch etwa eine gute Stunde, in der Dunkelheit lohnt es sich dann eh nicht mehr, weiterzusuchen. Wenn Sie nichts mehr hören, holen Sie uns mit dem Auto am Krankenhaus ab.«
»Wird gemacht.«
Stengele unterbrach die Verbindung.
»Wir gehen zum Krankenhaus?«, fragte Hölleisen. »Sind Sie sicher, dass unser Tunesier dorthin geflohen ist?«
»Seine Spuren führen in diese Richtung.«
»Meinen Sie, er ist verletzt?«
»Nein, das glaube ich nicht, das würde ich an den Fußabdrücken erkennen. Aber er ist ein Profi. Er geht zum Krankenhaus. Es gibt kaum eine Örtlichkeit mit mehr Betrieb, Hektik und Unachtsamkeit. Es gibt kaum einen Ort, wo ein zusätzlicher Hektiker weniger auffällt. Ich wüsste zehn Möglichkeiten, dort unterzutauchen und zwanzig, um unauffällig wieder zu verschwinden.«
»So, Johann, auch unterwegs?«
»Jaja, die Polizei ist immer unterwegs.«
Polizeiobermeister Johann Ostler hatte die Umgebung rund um den Mähdrescher sorgfältig abgesucht, er hatte keine weiteren Hinweise auf den Tunesier gefunden. Nachdem er sich über Funk bei Stengele gemeldet hatte, machte er sich auf den Weg. Er beschloss, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Polizeirevier zurückzukehren. Eine Mitfahrerin, die Pallauf Conni, redete ihn an.
»Ostler, sag einmal: Das Spektakel in Wamberg, hat das eigentlich was mit der Wolzmüller-Alm zu tun?«
»Conni, du weißt es doch. Darüber kann ich keine Auskunft geben.«
»Es ist doch geschossen worden in Wamberg, oder?«
»Ja, es ist geschossen worden, aber warum –«
»Man kann ja nicht mehr auf die Straße gehen. Wenn jetzt schon in Wamberg geschossen wird!«
Ein paar Neugierige waren aufgestanden und näherten sich ihnen. Es war doch keine so gute Idee gewesen, mit dem Ortsbus zu fahren. Und die Wadenkrämpfe wüteten immer noch in seiner Beinmuskulatur.
»Conni, du weißt doch, dass ich nichts sagen darf.«
»Stimmt das, dass er mit Handgranaten geworfen hat?«
Ostler wollte zwar keine Panik in der Bevölkerung schüren, aber er wollte auch nicht sagen, dass lediglich mit vier Selterswasserflaschen geworfen worden war. Und die eigene unrühmliche Geschichte mit der Fesselung an einen Mähdrescher wollte er ihnen auch nicht auf die Nase binden.
»Ist der, der geschossen hat, derselbe, der die Frau umgebracht hat?«
Warum sollte er nicht nicken, dachte Ostler. Dann würde die Pallauf Conni Ruhe geben.
»Ist das ein Ja?«, fragte ein Reporter der örtlichen Zeitung, der in der Gruppe der Lauscher gestanden hatte. Das war schon wieder ein Nicken zuviel, dachte Ostler.
»Ja, der Bürgermeister ist schon informiert. Ich bitte um genaue Positionsmeldung!«
Jennerwein war über die Karte gebeugt, die Stengele vorbereitet hatte. Vom Klettergarten waren drei Fluchtwege eingezeichnet, Klettergarten-Bahnhof, Klettergarten-Autobahnende Eschenlohe und schließlich Klettergarten-Krankenhaus.
»Wir befinden auf der Eichenauhöhe«, gab Stengele durch. »Keine besonderen Vorkommnisse. Wir sind fast am Ziel. Wir können den Hubschrauberlandeplatz des Krankenhauses schon erkennen.«
»Seien Sie vorsichtig. Schärfen Sie das auch den anderen ein. Niemand soll vergessen, dass der Tunesier vermutlich für den Mord verantwortlich ist.«
»Geht klar. Ist der Bürgermeister schon in Sicherheit?«
»Seit ein paar Minuten. In absoluter Sicherheit. Keine weiteren Details über Funk.«
Jennerwein konnte sich ein kleines Lächeln nicht verkneifen. Der Bürgermeister war freiwillig mitgekommen. Es wäre ja nur für ein paar Stunden, hatte Jennerwein gesagt. Und der Bürgermeister wollte sowieso schon immer einmal die Verhältnisse in der örtlichen JVA studieren, die ja eine der kleinsten in Bayern war. Dort herrschten regelrecht familiäre Verhältnisse, und das Essen war auch nicht so schlecht. Die Gefangenen bekamen sogar das Gleiche wie die Bediensteten.
»Wenn es etwas Neues gibt, melden wir uns. Ende.«
Jennerwein funkte Maria an.
»Kontaktieren Sie Becker, und
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