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Unterland

Unterland

Titel: Unterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne C. Voorhoeve
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Zimmer war ihr nicht gut bekommen, sie wirkte gelbhäutig und eingefallen und roch kaum weniger ungelüftet als Herr Helmand.
    »Willst du nicht wieder mal zum Tee vorbeikommen, Winnie?«, fragte sie fast ein wenig kleinlaut. »Eigentlich geht das doch auch in meinem Schlafzimmer.«
    Herr Helmand war kaum eine Viertelstunde im Haus und alle schlossen Frieden! Das muss ich morgen unbedingt Wim erzählen, nahm ich mir vor.
    »Der Junge ist ein cleveres Bürschchen«, bemerkte Frau Kindler. »Weiß man etwas über seinen Vater?«, worauf alle Blicke sich auf mich richteten und ich das Einzige preisgab, was ich wusste: »Der ist seit über zwei Jahren tot.«
    »Gut für sie, dass sie’s sicher weiß!«, befand die Wranitzky. »Dann kann sie schnell die Papiere bekommen, wenn sie wieder heiraten will. Wie ist es eigentlich bei Ihnen ausgegangen, Frau Bolle?«
    Frau Bolle fuhr so ruckartig zurück, als wäre sie mit Feuer in Berührung gekommen.
    »Ich meine doch«, fügte die Wranitzky begütigend hinzu, »haben Sie Scherereien wegen der Fürtoterklärung? Brauchen Sie Zeugen?«
    Frau Bolle senkte tief den Kopf und gab fast unhörbar zu verstehen, dass sie eine Fürtoterklärung noch gar nicht beantragt habe.
    »Ich stelle mich gern zur Verfügung«, bot die Wranitzky an, »ich hab ja alles gesehen. Vergangen ist vergangen, Frau Bolle, wir Schlesier müssen jetzt zusammenhalten.«
    »Danke«, murmelte Frau Bolle und warf ihr von schräg unten verängstigte Blicke zu; erst als niemand sie mehr zu beachten schien, hob sie Zentimeter für Zentimeter den Kopf, als kurbele sie von Hand eine schwere Winde.
    »Was meinen Holger betrifft«, sagte die Wranitzky mit schmerzlichem Lächeln, »kann leider kein Zweifel bestehen. Nur Sie hatten Glück, Frau Sievers, Ihrer kommt zurück.«
    »Fragt sich nur wann«, erwiderte Mem. »Und vergessen Sie nicht: Auch wir vermissen jemanden. Unser Jan is t …« Sie stockte und warf Ooti einen entschuldigenden Blick zu.
    »Geben Sie nicht auf, Frau Sievers«, sagte die Wranitzky zu Ooti. »Ich seh Sie ja immer mit Ihrem Schil d … man muss doch wenigstens Klarheit haben. Und du«, das galt mir, »könntest ruhig mal wieder mitgehen mit deiner Oma!«
    Bevor mein schlechtes Gewissen für alle sichtbar wurde, meinte Mem diskret: »Unser kleines Abendessen teilen wir heute wohl nur zu viert«, vermutlich um darauf hinzuweisen, dass es unsere Zeit in der Küche war, die gerade ablief, während wir alle herumstanden.
    »Das müsste nicht sein!«, antwortete die Wranitzky sofort und guckte ziemlich ungeniert auf unseren Topf.
    »Wenn wir Ihnen mit etwas aushelfen könne n …?«, erwiderte Mem peinlich berührt.
    Seit diesem Abend ging man im Haus freundlicher miteinander um, und sei es nur, um die Entwicklung im Fall Helmand nicht zu versäumen. Im Moment aber, da die Töpfe sich wieder in den Vordergrund drängten, sank die Stimmung so rapide, wie sie sich vorher erhellt hatte, und mit dem Stelldichein in der Küche war es schlagartig vorbei.
    »Wenn Foor zurückkomm t …«, sagte ich zu Mem.
    Abrupt hielt sie im Wäschefalten inne und sah mich so gespannt an, dass ich die Wahrscheinlichkeit augenblicklich wieder wachsen sah, mein Vater könnte die Überraschung sein, die sie für uns in petto hielt! »Wo soll er eigentlich schlafen?«, fragte ich.
    Mems Wangen färbten sich rosa. »Bei deiner Mutter, will ich doch hoffen«, versetzte Ooti.
    »Sicher, aber uns fehlt eine Matratze. Wenn wir wüssten, dass Foor nach Hause kommt, müssten wir langsam anfangen, uns darum zu kümmern, meint ihr nicht?«
    »Wir wissen aber noch nichts«, enttäuschte mich meine Mutter. »Und ich gehe davon aus, dass er versuchen würde, uns vorzuwarnen.«
    »Das glaube ich auch«, bemerkte Ooti. »Wenngleich vorwarnen nicht das Wort ist, das ich benutzt hätte.«
    Meine Mutter antwortete nicht, sondern fuhr fort, unsere wenigen Wäschestücke so sorgfältig zu falten, dass man ein Zentimetermaß hätte anlegen können. »Ganz schön eng, alle in einem Raum«, fing ich nach ein paar Sekunden wieder an.
    »Herrje, Alice, so ist es nun mal!«, schnappte Mem mit einer Ungeduld, die mich vollends verwirrte, denn wenn weder Foor das Geheimnis war noch die neue Wohnun g – was in aller Welt war es dann? »Es gibt Familien, die haben zu siebt oder acht nicht mehr Platz als wir.«
    »Schon.« Ich gab nicht auf. »Aber wir kennen Tommy s …!«
    »Die auch wenig Platz haben«, parierte Mem. »Wieso meinen eigentlich alle, die

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