Unterm Kreuz des Südens. Eine australische Familiensaga
den Termin habe, bin ich bankrott“, log Franziska. „Ich wollte eigentlich mein Geld für den Anwalt ausgeben.“
„Nun beruhigen Sie sich doch. Für die hiesigen Klienten dauert es so lange. Ich kann doch nicht wissen, dass Sie von außerhalb kommen.“
„Nicht nur von außerhalb, sondern von ziemlich weit. Etwa einhundert Kilometer hinter Brisbane.“
Das imponierte diesem Mann schon. Er griff zum Hörer und telefonierte.
Eine halbe Stunde später saß sie bei Marty Williams.
Franziska holte sehr weit aus, sodass der Anwalt erst gar nicht wusste, was diese Frau eigentlich von ihm wollte. Dann erwähnte sie Will McArthur. Bei diesem Namen blitzten seine Augen auf, und er stellte einige Gegenfragen. Dann kam sie auf den Kern der Sache.
„Kevin Goodman, sagten Sie?“
„Ja. Hier ist der Zeitungsartikel.“ Sie übergab dem Anwalt die herausgerissene Seite.
„Wissen Sie inzwischen, warum er angeklagt wurde?“
Nervös rieb Franziska ihre Hände im Schoß. „Nein, ich hoffte, dass Sie mir das sagen könnten!“
Er nickte, rieb nachdenklich seine Stirn und sagte schließlich: „Bevor ich diesen Fall übernehme, müssen wir uns noch über das Honorar einig werden.“
Bei dem Stichwort Honorar fiel Franziska ein, dass sie doch einen Brief von Will McArthur mit hatte. „Ach, eh ich es vergesse“, meinte sie „hier habe ich noch einen Brief für Sie.“
Er nahm ihn und las auch umgehend den Inhalt. „Ich danke Ihnen für das Überbringen. Ich glaube, ich hätte noch mindestens ein Jahr warten müssen, bis ich etwas von meinem Freund gehört hätte. Er ist nämlich ganz besonders schreibfaul.“ Dabei schmunzelte er: „Übrigens, ich auch!“
Sie einigten sich auf ein angemessenes Honorar.
Franziska entkrampfte sich nun völlig. „Sollten Sie den Fall gewinnen, lege ich noch einen Hunderter obendrauf.“
„Oh la, la, Sie wollen mich doch nicht etwa bestechen?“ lächelte er.
„Aber ich doch nicht, Mr. Williams“, dabei fiel ihr Blick schüchtern nach unten.
Mr. Williams stand auf und reichte Franziska zum Abschied die Hand. „Gut, lassen Sie mir eine Woche Zeit. Ich werde sehen, was ich bis dahin herausfinden kann.“
„Kann ich Mr. Goodman in der Zwischenzeit im Gefängnis aufsuchen?“
„Nein, auf gar keinen Fall.“
„Schade. Aber Sie werden schon wissen, was richtig ist.“
Er nickte und führte sie zur Tür.
Dem Portier schob Franziska einen Geldschein unter der Fensterscheibe hindurch. „Für Sie, weil es trotz des vollen Terminbuches so schnell geklappt hat.“
Eine Woche – soviel Zeit hatte Franziska schon lange nicht mehr für sich gehabt. Sie nutzte die Zeit, um sich die Stadt anzusehen. Was hatte sich hier alles in den letzten vierzehn Jahren verändert. Die Stadt ist sehr modern geworden. Es gab gewaltige Hochhäuser. Franziska stellte sich vor, wie wohl die Welt von dort oben aussehen würde. „Ich glaube, die Menschen hier unten sind dann nur noch klein wie Ameisen.“
Bei ihrem Spaziergang durch die Stadt kam sie an ein sehr altes, graues, angsteinflößendes Gebäude. Es stand in der Nähe vom Hafen. Seine Mauern waren hoch, es gab nur kleine vergitterte Fenster. Sie suchte den Eingang zu dieser Festung. Vielleicht war zu lesen, was dahinter verborgen war. ‚Staatsgefängnis’ , las Franziska, und ihr Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Franziska setzte sich auf eine Bank, die dem Eingangstor gegenüber stand. Sie konnte ihre Tränen nicht mehr verbergen.
Sie wusste nicht, wie lange sie gesessen hatte, als ihr eine junge schwangere Frau auffiel, die mit einem kleinen Jungen an der Hand die Straße überquerte. Die Frau schien ihr wie in Trance zu sein, das Kind weinte.
Franziska wusste nicht genau, warum sie dieser Frau folgte, aber irgendetwas Unerklärliches verband sie mit dieser Frau. Mit Abstand ging sie der Frau hinterher. Sie hatte sowieso nichts Besseres vor. Es ging kreuz und quer – eher ziellos – durch die Stadt. Manchmal verlor sie die beiden aus den Augen, aber wegen des schreienden Kindes entdeckte sie die beiden immer wieder. Am Güterbahnhof ging eine Brücke über die Gleisanlagen, darauf blieb die Frau stehen.
Auch Franziska verlangsamte ihre Schritte. „Was tut sie nur dort?“ fragte sich Franziska. Sie wartete ungefähr eine halbe Stunde, als von der Ferne ein Zug sein Signal ertönen ließ. Franziska kam ein unfassbarer Gedanke in den Kopf. „Nein“, rief sie und rannte los. „Nein, warte, lass das sein. Hallo, sei doch
Weitere Kostenlose Bücher