Unterm Kreuz des Südens. Eine australische Familiensaga
in die Augen. „Mir würde es auch so gehen. Ich könnte keine Minute ohne dich leben.“
„Na, na, na nun male nicht den Teufel an die Wand“, sagte Franiska, die gerade zur Tür hereingekommen war. Sie stand in der geöffneten Tür und lehnte sich an den Türpfosten. „Ja“, sagte sie „und von Peter haben wir auch schon eine Ewigkeit nichts mehr gehört.“
„Ach, Mum, mach dir keine Sorgen. Ihm und Sharon geht es gut. Das hatte er doch in seinem letzten Brief ausführlich geschrieben. Ich fand auch, dass es das Beste war, was er tun konnte. Nach Perth ziehen und dort seinen Ruhestand zu genießen. Hier wäre das nie etwas geworden, da ihn jeder kennt. Dort hat er seine Ruhe. Gönn ihm diese.“
„Das tu ich doch. Vielleicht ist das egoistisch von mir, aber er war eben das letzte Stück, was mich mit Deutschland verband, seit Pfarrer Thörel verstorben ist. Manchmal kommt eben das Heimweh durch, obwohl ich noch niemals meinen Schritt bereut habe.“
Entsetzliche Wahrheiten
Beim Abendessen sagte Neil zu seinem Sohn: „Morgen suchst du mit Sarah Sandsteine. Und nehmt Shirley mit, es ist gut, wenn sie etwas abgelenkt wird. Wir wollen mit den Steinen die Innenwände der Gruben verstärken. Nimm den kleinen Wagen und spann den Hund davor, es ist leichter für euch.“
„Bei der Hitze habe ich keine Lust, die Steine zu holen“, maulte Randy.
„Ich auch nicht“, erwiderte Sarah. Zu ihrem Daddy sagte sie: „Dad, ich kann dir doch beim Ausgraben helfen!“
„Nein, Sarah, das ist zu schwer für dich“, mischte sich Sabrina in das Gespräch ein.
Schmollend stand Sarah auf. Auch Randy verließ den Tisch.
Franziska und Kevin klopften an.
„Dürfen wir stören? Jetzt ist es angenehm draußen. Wir wollen uns etwas die Beine vertreten, bis die Sonne untergeht. Kommt ihr mit?“
„Ich komme mit, Mum“, sagte Sabrina „eigentlich wollte ich noch Brot backen, aber das kann ich auch später machen. Kommst du mit, Neil?“
„Geh nur! Ich wollte mit Bradley noch etwas bereden.“
Sabrina hatte sich bei Kevin und ihrer Mum untergehakt. „Wenigstens am Abend weht der Wind angenehm. Was meinst du, Kevin, wie lange können wir der Trockenheit noch standhalten?“
„Ich weiß es nicht, Sabrina. Zehn Jahre ohne Regen ist eine sehr, sehr lange Zeit. Ich hoffe für alle Menschen, Tiere und Pflanzen, dass das bald vorbei ist. Aber deine Mum hat dich zu diesem Spaziergang eingeladen, um mit dir über ein ernstes Problem zu reden.“
Sabrina nickte und zog die Stirn in Falten: „Was kann denn wichtiger sein als diese unendliche Trockenzeit, Mum?“
„Dein Sohn“, gab Franziska schnell zur Antwort, denn sie wusste, dass sie so schnell nicht wieder den Mut für dieses Gespräch aufbringen würde.
„Was hat er denn angestellt?“
Franziska suchte nach den richtigen Worten. „Es geht um sein Verhalten – um seinen Charakter.“
„Ich weiß, Mum, dass er schwierig ist, aber ich glaube, das liegt am Alter!“
„Kind, bist du noch nie auf den Gedanken gekommen, er könnte etwas von seinem Großvater geerbt haben?“
„Du meinst Robin Smith?“
„Ja.“
Sabrina war entsetzt. Wie konnte sie ihren Sohn mit Robin Smith vergleichen? Wild gestikulierend gab sie zur Antwort: „Mum, entschuldige bitte, aber ich glaube, jetzt spinnst du! Weißt du denn nicht mehr, wie der war? Ich werde das nie vergessen können.“
„Eben!“
„Mum, Randy ist elf Jahre!“ fragend und entsetzt zugleich sah Sabrina ihre Mum an.
Ohne auf diesen Vorwurf einzugehen, redete Franziska weiter.
„Kevin hat ihn heute von weitem beobachtet. Konnte ihn aber nicht zur Rede stellen, weil er zu weit weg war.“
„Was hat er getan, Kevin?“, fragte sie ihn.
„Komm mit, ich zeige es dir.“ Sie gingen zu einer kleinen Felsgruppe. Etwa einen Meter unter ihnen war die Höhle eines Wombats, davor lagen zwei verkohlte Kadaver. Ein kleiner und ein ausgewachsener. Kevin zeigte auf die toten Tiere. „Ich sah, wie Randy sich an dem Bau zu schaffen machte. Er hat den Eingang zugeschüttet, damit das Muttertier mit dem Jungen nicht verschwinden konnte, und aus der tiefen Grube konnte das Jungtier nicht entfliehen. Er hat sie mit Petroleum übergossen und angezündet.“
„Kevin“, schrie Sabrina entsetzt „hast du das auch wirklich gesehen? Hast du ihn erkannt?“
„Tut mir leid, Sabrina, ich habe ihn genau erkannt, aber dem ging noch etwas anderes voraus.“
Kevin holte tief Luft, weil ihm das weitere Reden schwer fiel.
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