Unterm Kreuz des Südens. Eine australische Familiensaga
Cecilia bekam Panik, weil sie damit nicht gerechnet hatte. Aber der Wasserstand war innerhalb der letzten Jahre stark gesunken. Um ihre Wahnsinnstat nun doch noch zu Ende zu führen, ließ sie sich kopfüber in den Fluss fallen. Durch ihre Behinderung war es ihr nicht möglich, ihre Beine zu bewegen, aber das wollte sie ja auch gar nicht.
Am Nachmittag wollte Fred noch einmal nach seiner Frau sehen. „Bradley, wo ist Mum?“
„Ich weiß es nicht, sie wollte auf der Farm spazieren fahren. Ich sagte ihr, dass es sehr heiß sei. Aber sie hört doch nicht auf mich, den Sonnenhut habe ich ihr allerdings aufsetzten dürfen.“
Fred fand sie nicht und sagte Kevin Bescheid, dass er etwas später in die Ställe kommen würde.
Doch als er sie nirgendwo finden konnte und sich inzwischen Sorgen machte, rief er die Männer, die Zeit zum Suchen hatten, zur Hilfe.
Andy, der den Fluss entlang ritt, fand ihren Sonnenhut, der an einem Ast hängen geblieben war. Durch einen Schuss in die Luft gab er zu verstehen, dass er etwas gefunden hatte.
Fred war als erster da. „Wo ist sie?“ fragte er atemlos.
Ohne ein Wort überreichte Andy ihm den nassen Sonnenhut. „Den habe ich dort gefunden“, dabei zeigte er auf das Geäst im Wasser.
Fred ging in das Wasser und in der Mitte fühlte er vor seinen Füssen plötzlich den Rollstuhl. Ruckartig blieb er stehen. „Nein, Cecilia, nein“, flüsterte er. Dann fasste er in das Wasser und zog den Rollstuhl heraus. Andy kam ihm zu Hilfe. Nun war es allen klar, Cecilia hatte mit Absicht ihrem leidvollen Leben ein Ende bereitet. Ob bei vollem Bewusstsein oder unter dem Wahn, das wusste in diesem Moment von den Zurückgebliebenen keiner.
Fred konnte nicht mehr. Er war verzweifelt, und während er sich an den Strand setzte und versuchte das Geschehene zu verstehen, suchten die anderen nach Cecilia. Einige Meter flussabwärts fand man ihre Leiche mit einem Lächeln auf dem Gesicht.
Fred hatte Cecilia sehr geliebt, obwohl ein friedliches Familienleben in den letzten Jahren fast unmöglich geworden war. Aber trotz allem konnte Fred nicht weinen. Er gab sich die Schuld. Hatte er ihr zu wenig Verständnis entgegen gebracht? Er konnte es einfach nicht begreifen. Was sollte nun werden? Woher sollte er die Kraft nehmen, die Kinder allein groß zu ziehen?
Als er am späten Abend endlich zu Bett ging, fand er Cecilias Abschiedsbrief.
Mein über alles geliebter Fred!
Ich weiß genau, was du jetzt fühlst. Du bist wütend auf mich. Aber bei genauem Überlegen wirst du feststellen, dass dies der einzige Ausweg war. Ich habe gemerkt, dass die Abstände immer kürzer wurden, wenn ich normal war . Im Unterbewusstsein habe ich meine Gemeinheiten wahrgenommen, konnte aber nichts dagegen tun. Du tust mir in der Seele leid. Du hast etwas Besseres verdient als mich. Falls du je die Gelegenheit findest, dann nutze sie und gib meinen Kindern eine liebe Mutter. Ich weiß, dass das hier draußen im Outback sehr schwer sein wird. Aber wer weiß. Noch etwas liegt mir auf dem Gewissen. Mach dir keine Gedanken um deine Figur, die ist super. Du hast keinen Hängebauch, und ich habe mich in wachen Momenten, wie jetzt zum Beispiel, mehr nach dir und deiner zärtlichen Liebe gesehnt, als du dir denken kannst. Vergib mir meine bösen Worte. Sie waren oft nur ein Ventil, um meine Hilflosigkeit zu verbergen. Erzähl unseren Kindern von mir, von besseren Tagen, die vor meiner Krankheit waren. Vor allem Shirley, denn sie ist noch so klein und wird sich später sicher nicht an ihre Mum erinnern können. Sag ihr, wie glücklich wir waren, als wir erfuhren, dass wir beide ein Baby bekommen und wie stolz wir auf die kleine Shirley waren.
Nun zu Bradley. Ich war immer sehr stolz auf dich, dass du ihn behandelt hast wie deinen eigenen Sohn. Sein leiblicher Vater hätte sich nicht besser um ihn kümmern können.
Sollte ich trotz meiner Tat in den Himmel kommen, werde ich meinen ersten Mann Stanley vielleicht wieder sehen. Ich erzähle ihm, wie lieb du zu seinem Sohn und zu mir gewesen bist. Auch von dem Vertrauen, das Franziska und Kevin mir schenkten, werde ich ihm erzählen.
Erkläre meinen Kindern mein Handeln, falls du es je verstehen wirst.
Ich liebe euch alle, und wenn ich den lieben Gott sehe, werde ich ihn bitten, dass er ein wachsames Auge auf euch hält.
Deine dich ewig liebende Cecilia
p. s. Ich liebe dich
Nun endlich liefen Fred Tränen über die Wangen. Zärtlich strich er mit den
Weitere Kostenlose Bücher