Unterm Kreuz des Südens. Eine australische Familiensaga
Arzt, mit dem sie zuerst gesprochen hatten, in der Tür erschien, stand Fred instinktiv auf und ging auf ihn zu. Kevin folgte ihm.
Doktor Twain zeigte mit der Hand auf einen leeren Tisch am Fenster. „Setzen wir uns“, sagte er ernst.
Fred hatte das Gefühl, als schnürte etwas den Hals zu.
„Wollen Sie ihre Frau zu diesem Gespräch holen?“, fragte er Kevin.
„Hat sie Sie nicht kommen sehen? Sie sind doch sicher an ihr vorbei gelaufen?“
„Ja, aber sie schlief.“
„Dann lassen wir sie schlafen. Sie hat viel durchgemacht, der Schlaf wird ihr gut tun.“
„Wie Sie wünschen.“ Er räusperte sich und sprach weiter. „Aufgrund ihres schlechten Gesundheitszustandes war es möglich, dass jedem auffiel, dass mit dem Kind etwas nicht in Ordnung war. Nur daher kamen Sie zwar verhältnismäßig spät, aber eben noch nicht zu spät zum Arzt. Sind Ihnen die Essstörungen bereits vor dem Ereignis mit der Schlange aufgefallen?“
„Nein, vorher habe ich nichts bemerkt!“
Franziska, die inzwischen wach geworden war, hörte die letzten Worte. „Fred, mir ist schon vor längerer Zeit aufgefallen, dass Shirley sich verändert hat. Sie war immer so fröhlich und lebenslustig, aber in der letzten Zeit war sie anders.“
„Stimmt“, bemerkte nun auch Kevin „du hast mir bereits vor einigen Monaten erzählt, dass Shirleys Verhalten auffällig ist. Ich bin mir auch ganz sicher, dass das einige Zeit vor dem Ereignis im Outback war.“
Doktor Twain nickte. „Das ist schon möglich, dass dieses Erlebnis und das mit dem Wombats nur der Auslöser für ihre Essstörungen waren. Die Ursache dafür ist wahrscheinlich ganz woanders zu suchen.“ Er fasste Freds Hand, die auf dem Tisch lag. „Danken Sie Gott, dass Sie rechtzeitig den Weg zum Arzt gefunden haben.“
Fred nickte nur.
Doktor Twain sprach weiter: „Ich muss Ihnen noch mitteilen, dass wir ihre Tochter länger hier behalten müssen.“
„Das ist mir klar. Erst, wenn sie nicht mehr erbricht, kann sie nach Hause“, sagte Fred leise.
„Nein“, sagte Doktor Twain „ich meinte länger. Shirley hat durch das, was sie erlebt hat, na, sagen wir mal einen seelischen Knacks. Und der muss ausgeheilt werden, damit sie keine Folgeschäden erleidet.“
„Wie lange wird das dauern?“ wollte Fred wissen.
„Das hängt ganz von Shirley ab. Es können zwei Monate vergehen oder aber auch zwei Jahre.“
„Waaas? Solange kann sie doch unmöglich hier bleiben“, Freds Augen wurden feucht.
„Doch“, sagte Doktor Twain leise „sie kann.“
„Kann ich sie wenigstens jeden Tag besuchen?“
„Nein! – Fahren Sie wieder auf ihre Farm. Ich habe Ihre Nummer und werde Sie ständig auf dem Laufenden halten. Sobald ich es für richtig und wichtig halte, dass Shirley wieder Kontakt zu ihrer Familie aufnehmen kann, teile ich es Ihnen mit. Und bitte – geben Sie ihr genug Zeit. Das wird Ihnen beiden helfen. Nutzen Sie diese Zeit und denken Sie darüber nach, wo die Ursache zu suchen ist. Irgendetwas Tiefgreifendes muss sich bereits vor Monaten ereignet haben. Wir müssen diese Ursache unbedingt herausfinden.“
Fred nickte: „Ich werde Ihnen helfen, so gut ich kann. Ich vertraue Ihnen Dr. Twain. Können wir Shirley aber noch sehen, wenn sie aus dem Schlaf aufwacht?“
Doktor Twain schüttelte fast unmerklich den Kopf.
„Mein Assistenzarzt hat Ihnen sicherlich bereits mitgeteilt, dass es besser für Shirley und für Sie ist, wenn wir darauf verzichten. Der Abschied würde zu sehr wehtun, glauben Sie mir, ich habe damit Erfahrung. Machen Sie es sich nicht unnötig schwer.“
Kevin legte seine Hand auf Freds Schulter. „Lass sein, mein Freund. Er hat Recht, es ist das Allerbeste für deine Tochter. Und egal wann, aber du wirst sie so zurückbekommen, wie du sie kanntest – wie wir sie kannten“, verbesserte er sich.
Alte Liebe
Da erst am nächsten Vormittag ein Flug nach Sydney frei war, übernachteten sie im „Hilton International“. Das Abendessen dort war einfach fürstlich. Kevin und Franziska versuchten, Fred etwas abzulenken. „Hast du Lust auf einen Stadtbummel, Fred?“
Aber Fred wollte nicht.
„Es ist nett von euch, aber ich will heute Abend allein sein. Ein Glück, dass das Cecilia nicht miterleben muss.“
Franziska war nun auch die Lust am Stadtbummel vergangen, aber Kevin ließ nicht locker.
„Komm, Schatz, die Ablenkung wird dir gut tun!“
Franziska wusste, sie hatte keine Chance. Wenn Kevin sich einmal etwas in den Kopf gesetzt
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