Unterm Kreuz des Südens. Eine australische Familiensaga
Doktor, aber ich denke, ich habe die Lösung für Ihr Problem in meiner Tasche.“
Etwas zweifelnd und gleichzeitig erstaunt schaute er den Pfarrer an. Dieser griff tatsächlich in seine Tasche und holte einen Umschlag heraus. Er schob ihn über den Tisch. „Lesen Sie bitte.“
Peter öffnete den Umschlag. Er ging mit dem Brief an das Fenster, um im Mondlicht lesen zu können. „Was ist das?“
„Ich dachte eigentlich, dass Sie lesen gelernt haben. Da es aber nicht an dem ist, so sage ich Ihnen, dass Sie eine Schiffspassage in den Händen halten.“
„Aber, ich verstehe nicht, warum ...“
„Es geht nach Australien, ich habe mich auch schon erkundigt, dass am 27. Dezember das Schiff ablegt. Es ist das gleiche Frachtschiff, auf dem Sie die Winters damals untergebracht haben. Australien subventioniert momentan die Einwanderungen aus Großbritannien, vor allem für Juden. Ich habe meine Beziehungen spielen lassen, denn so einfach war das gar nicht. Der Kapitän kann große Schwierigkeiten bekommen, wenn ein jüdischer Name schon in Deutschland bei Kontrollen auf der Passagierliste erscheint. Das Frachtschiff legt in London an und nimmt dort einige Passagiere auf, Juden. Der Kapitän wird dafür sorgen, dass Ihr Name erst ab London in der Liste auftaucht. Bis dahin werden Sie als persönlicher Gast von Kapitän Ignatz mitreisen. Er freut sich sehr, Sie wieder zu sehen.“
„Was soll ich dazu sagen?“ Er lief in seinem Zimmer auf und ab, schüttelte den Kopf und konnte einfach nicht fassen, was dieser nette Pfarrer für ihn tat.
„Setzen Sie sich, ich muss Ihnen einiges erklären.“
Peter Wagner setzte sich dem Pfarrer gegenüber. Dessen Gesicht konnte er nicht erkennen, nur seine Umrisse. Als er mit Reden begann, hörte Peter zum ersten Mal bewusst den sanften Klang seiner Stimme. Es ging eine Ruhe und Entspannung von ihr aus.
„Die Feiertage nutzen Sie, um Bekannte zu besuchen, das ist am wenigsten auffällig. Die Leute werden es glauben, und niemand stellt Nachforschungen an. Und wenn man am 3. Januar feststellt, dass Sie nicht da sind, denkt sich auch noch keiner was dabei. Ich vermute, dass frühestens nach einer Woche Ihrer Abwesenheit, Nachforschungen wegen Ihres Verbleibes durchgeführt werden. Bis dahin sind Sie längst auf hoher See in neutralen Gewässern. Außerdem hat mir der Kapitän vorgeschlagen, dass Sie bis London unter einem völlig anderen Namen reisen werden. Damit Sie auch sicher bis nach Bremerhaven kommen, werde ich Sie begleiten. Sie nehmen nur Handgepäck mit, alles andere würde auffallen. Ich gebe Ihnen eine Sutane …“
„Eine was?“
„Eine Sutane ist das schwarze Gewand der katholischen Geistlichen, das werden Sie anziehen. Zwei Geistliche kommen besser durch die Kontrollen. Noch eins, Doktor, danach dürfen wir keinerlei Verbindungen haben. Das könnte für mich tödlich sein. Sollte hier in Deutschland alles wieder in normalen Bahnen laufen, können Sie sich ja bei mir melden. Dem Kapitän habe ich gesagt, dass Sie Ihre Passage an Bord bezahlen werden. Sie sind doch dazu finanziell in der Lage?“
Nickend bestätigte Peter Wagner diese Frage, nach einer kleinen Pause sagte er doch noch: „Ja, natürlich.“
„Sind Sie mit allem einverstanden?“
„Ja, aber ich kann es immer noch nicht glauben.“ Peter schwieg, und der Pfarrer überließ ihn seinen Gedanken. Nach einigen Minuten fragte Peter: „Warum tun Sie das für mich?“
„Mir gefiel, wie Sie sich für die Familie Winter eingesetzt haben. Ich spürte damals sehr stark ihre Nächstenliebe. Ohne Ihre Bemühungen hätte ich vielleicht immer noch den beschwerlichen Weg hierher. Sie haben mir zu dem Häuschen verholfen. Das wäre mein Dank dafür. Sollten Sie Franziska in Australien treffen, grüssen Sie sie von mir und sagen Sie ihr bitte, dass ich mich geehrt fühle, ihre drei Gräber zu pflegen.“
„Das werde ich, Pfarrer Thörel, mein Wort darauf.“ Ein Handschlag bekräftigte dies. „Und wie kommen wir nach Bremerhaven?“
„Am Heiligen Abend. Es fällt am wenigsten auf, wenn an so einem Tage gleich zwei Pfarrer unterwegs sind.“
Nickend bejahte Peter diesen Vorschlag. „Was raten Sie mir, auf was soll ich mich beschränken, ich meine, was soll ich mitnehmen?“
„Waschzeug und Wechselwäsche, weiter nichts.“
„Was? Und was ist mit meinem Arztkoffer, die Instrumente kosteten ein Vermögen.“
„Wenn wir durchsucht werden, kosten sie unser beider Leben!“
Peter schwieg, er wusste der
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