Unterm Kreuz des Südens. Eine australische Familiensaga
unbedingt über etwas ganz Neues reden“, meinte Mel zu Kevin. „Eigentlich wäre es besser, wenn Alina mit dabei wäre, aber du kannst es ihr ja erklären und falls sie noch Fragen hat, wohnen wir nicht am Ende der Welt.“
„Du machst mich neugierig.“ Kevin stützte seinen rechten Arm auf den Schenkel und strich sich dabei sichtlich interessiert mit der Hand übers Kinn. Mel hatte immer gute Ideen, dass wusste Kevin.
„Ich habe von einer neuen Verdienstquelle gehört, die für uns alle sehr lukrativ werden kann. Es handelt sich dabei um einen Baum, den man in Plantagen anbaut. Er wird etwa vier bis sieben Meter hoch. Aus diesem Baum wird durch Destillation Öl gewonnen. Das Gute daran ist, dass man nur einmal die Pflanzen kauft, weil sie immer wieder nachwachsen. Egal, ob ein Buschfeuer darüberfegt oder Hochwasser ist. Wir benötigen nur ein geeignetes Gelände in der Nähe des Flusses. Das sollte sich doch wohl finden lassen.“
„Stopp mal, nicht so schnell. Wie heißt dieser Baum, und was ist das für Öl? Und von welcher Destillation redest du?“
„Viele Fragen, aber wenn ich dein Interesse nicht geweckt hätte, würdest du keine Fragen stellen. Also, der Baum heißt Melaleuca alternifolia, oder kurz gesagt Teebaum. Ich habe mir sagen lassen, dass die Aborigines, die hier durch die Wälder streifen, diese ‚Medizin’ schon seit Jahrtausenden nutzen. Klar, dass sie keine Destillation kennen, sie zerrieben, quatsch, was heißt hier zerrieben, sie tun es ja heute auch noch. Also, sie zerreiben die Blätter und legen diese auf die Wunden. Auch erwärmen sie den Brei, um ihn auf Verletzungen aufzutragen. Sie atmen die Dämpfe, die beim Erhitzen entstehen ein, um zu inhalieren. Die Einwanderer haben nun diese Methode von den Aborigines übernommen, und die alten Whiskydestillationsgeräte erfüllen dabei wieder einen guten Zweck. Das Öl ist desinfizierend und heilend. Stell dir vor, man gab sogar dieses Öl 1914 im Weltkrieg den Soldaten mit in die Erste-Hilfe-Ausrüstung. Es war damals schon so begehrt, dass die Cutter und Destiller nicht zum Wehrdienst brauchten. Die Ernte soll natürlich sehr mühsam sein, aber wir haben ja bisher unser Geld auch nicht im Schlaf verdient. Hier habe ich sogar eine Zeitung.“ Er machte Platz auf dem Tisch, um die Zeitung richtig ausbreiten zu können. Es war ein Exemplar von der ‚Medical Journal of Australia’. „Da staunst du, was? Die ist von 1930, muss ich wieder abgeben. Lies bitte diesen Artikel, darin schrieb man von der guten antiseptischen Wirkung.“
Er machte eine Pause in seinem Redefluss, um Kevin Gelegenheit zum Lesen zu geben.
Kevin war begeistert. „Wie kommt man an die Pflanzen?“
„Bingo, also habe ich dein Interesse geweckt?“
„Natürlich, da macht Alina hundertprozentig mit.“
„Das freut mich, aber sprich erst mit ihr und sobald ihr euch entschieden habt, bestelle ich die Teebäume.“ Sie verabschiedeten sich von einander.
Auf Mozzie angekommen sprang Sabrina von Floh und rannte zu Alina. „Die Stute – Fohlen – ich habe zugesehen – Name suchen – heißt Twister – gefällt er dir?“
„Also weißt du“, unterbrach Alina den Redefluss des Kindes „ich habe absolut nichts verstanden. Hole tief Luft und fang noch einmal mit Erzählen an, aber ganz, ganz langsam.“
Es fiel Sabrina wirklich schwer, langsam zu reden. Sie gab sich Mühe und jedes Mal, wenn Alina die Brauen hochzog und den Zeigefinger hob, holte sie tief Luft, bevor sie weiter erzählte. Alina erfuhr auch, welchem Umstand das Fohlen seinen Namen verdankte.
„In Deutschland hätte er sicherlich den Namen ‚Wirbelwind’ bekommen“, erklärte Franziska.
„Twister ist ein sehr schöner Namen, er gefällt mir“, stellt Alina fest.
Ein großer Feigling
1938
Einige Wochen später sah Sabrina ihren kleinen Freund Neil mit dem Ball spielen.
„Pielst du mit mir?“, fragte Neil seine große Freundin.
Sie ließ sich nicht betteln. Voller Freude schoss sie den Ball, um Neil zu zeigen, wie weit ein Ball fliegen kann. Und er flog und flog und flog durch das offene Kellerfenster und gleich darauf klirrte es. Sabrina blieb wie angewurzelt stehen und Neil sagte: „Horch, bum macht!“
Robin, der gerade im Keller seine Schnapsflaschen einsortierte, sah den Ball kommen, konnte es aber nicht verhindern, dass dieser mitten in seinem kostbaren Schatz landete. Nur drei Flaschen blieben ganz, der Rest ergoss sich über den Kellerboden. Wütend nahm Robin den
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