Unterm Strich
glaubwürdige Alternativen: Entweder es geht in die Richtung einer Fiskalunion auf der Basis gemeinsamer Regeln für gute Haushaltsführungen; oder die EU wischt den Gedanken der Solidarität mit Haushaltssündern vom Tisch und akzeptiert die Möglichkeit der Zahlungsunfähigkeit eines Mitglieds der Eurozone.« Die staatliche Garantie für systemrelevante Banken und die europäischen Gewährleistungen für in Not geratene Länder führen dazu, dass unbegrenzt Liquidität fließt. Dies war aber einer der Ausgangspunkte der Krise. Wir versuchen also, den Teufel mit Beelzebub auszutreiben.
Neben den hier aufgelisteten allgemeinen Fehlern der jüngsten Politik gibt es schließlich drei Fehler, die ich mir persönlich zuschreibe. Nach der sogenannten Verständigung I mit der Brüsseler EU-Kommission über die öffentlich-rechtlichen Institute der Sparkassen und Landesbanken vom Juli 2001, an der ich als Ländervertreter beteiligt war, habe ich es als Landesfinanzminister und Ministerpräsident bis Mai 2005 versäumt, politischen Druck auf eine fundamentale Umstrukturierung und Konsolidierung des Landesbankensektors auszuüben. Die vierjährige Übergangszeit endete im Juli 2005, ohne dass auch nur annäherungsweise eine Neuordnung der völlig überbesetzten Landschaft der Landesbanken absehbar war, wie sie übrigens der Genossenschaftsbankensektor auf der Ebene seiner Spitzeninstitute längst vollzogen hatte. Die Landesregierungen und Verwaltungsräte unterlagen einer Überschätzung ihrer Landeshauptstädte als Finanzplätze und in manchen Fällen einem aberwitzigen Größenwahn, indem sie sich an international aufgestellten privaten Geschäftsbanken orientierten.
Dieses Versäumnis, mit der Stärke von Nordrhein-Westfalen und dem (damaligen) Gewicht der WestLB nicht auf eine nachhaltige Lösung der Landesbankenszene gedrängt zu haben, hängt mir nach. Die Landesbanken sollten mit ihrem aufgehäuften Klumpenrisiko im Verbriefungsgeschäft zum größten Systemrisiko des deutschen Bankensektors in der Finanzkrise werden.
Mein zweiter Fehler lag darin, dass ich als Bundesfinanzminister nicht registrierte, in welchem Ausmaß das Schattenbankenwesen in Deutschland zunahm und dass Banken größere Teile ihrer Geschäfte aus ihren Bilanzen auslagerten und in Zweckgesellschaften außerhalb des regulierten und beaufsichtigten Bereiches übertrugen. Die enorme Gefahr der damit verbundenen Intransparenz wurde mir erst bewusst, als uns das erste Beben im Sommer 2007 mit der IKB erreichte und ich von einer Zweckgesellschaft oder einem »Conduit« mit dem Namen »Rhineland Funding Capital Corporation« hörte, unter deren Dach Ankaufsgesellschaften mit dem Namen »Lorelei« tätig waren. Das Volumen dieser Zweckgesellschaft betrug sage und schreibe 12 Milliarden Euro, hinter denen sich Tausende von Wertpapieren verbargen, deren Abwicklung Jahre dauern wird.
Der dritte Fehler bestand nicht in einem mangelnden Ehrgeiz oder in Unterlassungen, unsere nationale Bankenaufsicht als Konsequenz aus der Krise zu verbessern. Entgegen oppositionellen Einwendungen gab es zwischen 2007 und 2009 allein fünf Initiativen, wie beispielsweise das Gesetz zur Stärkung der Finanzmarkt - und Versicherungsaufsicht vom Sommer 2009, die Bankenaufsicht in Deutschland effizienter zu gestalten. Das Bild der »Zwangsjacke«, die ich angeblich dem Chef der BaFin, Jochen Sanio, verpasst haben soll, ist der Phantasie eines Journalisten entsprungen, hat aber mit der Wirklichkeit nichts zu tun. Nein, mein Fehler bestand darin, dass ich keine Initiative zur Ermächtigung der Bankenaufsicht ergriff, über ihre bisherigen Kompetenzen hinaus auch ganze Geschäftsmodelle von Banken einer Prüfung und damit auch einem Nachhaltigkeitstest zu unterziehen.
Von den Fehlern, den Maßlosigkeiten und der Hybris der Bankenwelt ist in diesem Buch vielfach die Rede. Hier will ich meine Eindrücke so zusammenfassen: Mir fiel im Umgang mit deutschen wie internationalen Vertretern dieser Branche auf, wie wenig sie über die Mechanismen des parlamentarischen Systems, über die Funktionsweise von Parteien und Regierungen wissen - und wie wenig sie davon verstehen. Diese Welt scheint ihnen völlig fremd zu sein. In den Normalzeiten vor der Krise haben Banker den politisch-parlamentarischen Raum eher gemieden oder doch voller Reserven betreten; immer fürchteten sie irgendwelche Auflagen, die ihnen das Geschäft vermiesen konnten. In manchen Fällen haben sie der Politik und ihren
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