Unterm Strich
Börse und der Rating-Agenturen wichtiger als eine längerfristig stabile Marktposition. Steuersätze sind erst dann befriedigend, wenn sie einstellig sind. Löhne sind ein schlichter Kostenfaktor, der gedrückt werden muss. Gewinne fließen den privaten Eigentümern zu, Verluste sind bei »Systemrelevanz« vom Steuerzahler zu tragen. »Konkurrenz wird als Naturgesetz plakatiert, Effizienz wird auch als Mechanismus der sozialen Desintegration einkalkuliert.«
Jede Übertreibung schafft sich eine Antithese! Die Vertreter und Verfechter des globalisierten Finanzkapitalismus, des entfesselten Marktes, der antistaatlichen Gegenreform oder vulgärliberalen Sozialstaatsverachtung sind erkennbar nicht dialektisch oder jesuitisch ausgebildet. Sonst wüssten sie, dass brachiale Verletzungen von Fairness und Unwuchten in einer Gesellschaft Gegenbewegungen auslösen. In einer Aufwallung von Emotionen und Irrationalität kann das Pendel in ein gegenteiliges Extrem schlagen.
Kein Gesetz, keine Verordnung oder Regulierung wird Wirtschaftseliten und ihre Knappen auf das Gemeinwohl, eine Vorbildrolle und einen Blick für Fairness verpflichten können. Das lässt sich politisch nicht exekutieren. Das können nur die Beteiligten selbst in einem mentalen Wandel - befördert durch eine öffentliche Debatte, belohnt durch Anerkennung - bewerkstelligen. Schaffen sie das allerdings nicht, sägen sie an dem Ast, auf dem sie sitzen. Die Gegenbewegung würde zunehmen, eines Tages organisiert auftreten und dann Konsequenzen erzwingen, die nicht weniger besorgniserregend sein können als die Ursachen dieser Wirtschafts- und Finanzkrise.
Der Widerspenstigen Zähmung: Verkehrsregeln für die Finanzmärkte
Ich werde nach einer zweijährigen Debatte über die Regulierung von Finanzmärkten das Rad nicht neu erfinden. Ich kann auch kein Kaninchen aus dem Hut zaubern. Am Zustandekommen vieler der nach wie vor schwebenden oder zumindest teilweise umgesetzten Vorschläge war ich in nationalen und internationalen Gremien beteiligt, manchmal sogar als Impulsgeber. Aus diesen Erfahrungen nehme ich eine grundsätzliche Erkenntnis mit.
Einer Regulierung der Finanzmärkte und damit einer Krisenprävention ist nicht durch vielfältige und detaillierte Regelungen gedient. Je vielfältiger sie sind, desto unübersichtlicher und unkontrollierbarer ist das Aktionsfeld auch für die Bankenaufsicht, desto wahrscheinlicher werden gegenläufige und sich gegenseitig aufhebende Wirkungen. Je detaillierter die Regelungen, desto wahrscheinlicher ist das Entstehen von Nischen (was nicht explizit geregelt ist, liegt im Belieben der Finanzmärkte). In denen richten sich findige Finanzmarktakteure ein und bauen daraus neue Festungen, mit der Folge, dass fortwährend Nachjustierungen erforderlich sind. Es geht nicht um eine Paralysierung der Finanzmärkte durch Detailregelungen, sondern um ihre Domestizierung unter Aufrechterhaltung ihrer Funktionsfähigkeit und Gewährleistung von Stabilität.
Ich empfehle daher, sich auf folgende zehn Regelungen zu konzentrieren:
1.Zur Gewährleistung von Transparenz müssen ausnahmslos alle Finanzgeschäfte in der Bilanz geführt werden. Die Tendenz von Finanzinstituten, Risiken aus ihrer Bilanz auszulagern und damit die aufsichtlichen Kapitalanforderungen zu umgehen, muss unterbunden werden. Banken sollen Risiken eingehen, aber nur solche, die sie mit ausreichendem Eigenkapital unterlegen und in ihrer Bilanz für alle Beteiligten transparent aufführen. Das gilt erst recht für alle Finanzinnovationen.
2.Die Notwendigkeit höherer Eigenkapitalanforderungen ist eine der zentralen Lehren aus der Krise. Ziel ist zum einen die Vermeidung exzessiver Strategien, mit wenig Eigenkapital viel Fremdkapital für höchst riskante Geschäfte zu generieren, zum anderen der Aufbau von Kapitalpuffern in guten Zeiten. Dabei kann es für »übliche« Bankengeschäfte bei der Mindestausstattung von 4 Prozent Eigenkapital bleiben. Aber für die riskanten Geschäfte sollten 20 bis 25 Prozent Eigenkapital (gemessen an der Bilanzsumme) unterlegt werden müssen. Die als sogenannte Prime Broker agierenden Banken sollten verpflichtet werden, sogar 30 bis 40 Prozent Eigenkapital für Kredite an Hedgefonds und Private-Equity-Fonds zu hinterlegen. Solche Regelungen würden das Risikoverhalten der Finanzinstitute erheblich zügeln und den Steuerzahler von eventuellen Risikoübernahmen entlasten. Dies bedeutet, dass Banken auf absehbare Zeit zum Beispiel
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