Unterm Strich
unwirksamen Regelung im Grundgesetz trat. Die Verfassung enthält jetzt ein Prinzip, das der Politik auch und gerade angesichts einer eskalierenden Staatsverschuldung keine leichtfüßigen Ausweichmanöver mehr erlaubt und endlich den Interessen unserer Kinder und Enkelkinder stärker Rechnung trägt. Wer immer über die Frage der Gerechtigkeit im 21. Jahrhundert räsoniert, kommt an unseren Schulden, deren Kapitaldienst wir den nachfolgenden Generationen aufbürden, nicht vorbei.
Mir ist bewusst, dass man sich an einer Reform des deutschen Föderalismus leicht verheben kann. Dieses System ist historisch und soziokulturell tief verankert, verschafft 16 Regierungschefs politische Macht und eine große Bühne und begründet die Existenzberechtigung aufwendiger Landesverwaltungen. Positiv gesehen, ist der Föderalismus konstitutiver Bestandteil eines Ausgleichsmechanismus, der politische Macht in Deutschland zügelt. Dies alles in Rechnung gestellt, drängen sich - über die Korrektur der beiden genannten Webfehler hinaus - mindestens drei Komplexe auf, die einer Lösung bedürfen.
A. An erster Stelle steht eine umfassende Bildungsreform unter Überwindung aller kleinteiligen, länderspezifischen Eigenheiten und Eigensinnigkeiten, die das deutsche Bildungssystem in seiner Leistungsfähigkeit und Integrationskraft an die Spitze aller europäischen Vergleiche bringen muss. Bildung über die gesamte Bandbreite, von der Kinderbetreuung über allgemeinbildende Schulen, die akademische und berufliche Ausbildung bis zur Weiterbildung und Qualifizierung, ist die Schlüsselkategorie, um Deutschland angesichts der ökonomischen, technologischen, demographischen und sozialen Herausforderungen wirtschaftlich auf der Höhe und gesellschaftlich beisammenzuhalten. Ob es sich um unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit, unsere Innovationsfähigkeit - die Grundlage unserer Wissensgesellschaft -, kulturelle Leistungen und Vielfalt, soziale Integration, Armutsbekämpfung oder die Vereinbarkeit von Beruf und Familie insbesondere für Frauen handelt: Bildung ist der entscheidende Rohstoff, von dem die Zukunft unseres Landes abhängig ist. Zumal wir über andere Rohstoffe kaum verfügen. Nicht alle, aber fast alle wissen das.
In einem diametralen Widerspruch dazu stehen nicht nur die unzureichenden Investitionen in das Bildungssystem. Das ist schon schlimm genug. Gemessen am Topstandard in Europa, den vornehmlich skandinavische Staaten setzen, müssten wir zusätzlich rund 25 Milliarden Euro öffentlicher Mittel jährlich investieren. Noch schlimmer ist es, dass die deutsche Bildungslandschaft aus 16 Kleingärten besteht, die sich in fast jeder Hinsicht, von Schultypen über Lehrstoffe und Prüfungsbedingungen bis hin zur Elternmitsprache, unterscheiden. Die durchaus originelle Wortschöpfung »Bildungsrepublik Deutschland«, die Angela Merkel im Vorfeld zum Bildungsgipfel mit den Regierungschefs der Länder Ende Oktober 2008 in die Debatte brachte, hat keine Kraft entfaltet. Dass Merkels Stichwort verpuffte, bestätigte ein weiteres Mal, dass politische Begriffe ohne inhaltliche Aufladung und Unterfütterung die Politik umso hilfloser und steriler erscheinen lassen.
Unter Hinweis darauf, dass die Bildungspolitik in einigen der jüngeren Landtagswahlen zu den vorrangigen Themen gehörte und wahlentscheidende Bedeutung hatte, unternahm ich im Vorfeld des Bundestagswahlkampfes 2009 zwei Versuche, Spitzenrunden meiner Partei davon zu überzeugen, dass sich die SPD dieses Themas mit der Perspektive einer stärkeren bundesstaatlichen Ordnung und Vereinheitlichung annehmen sollte. Das eine Mal saßen wir nach meiner Erinnerung im Keller der rheinland-pfälzischen Landesvertretung in Berlin. Das erwies sich als der falsche Ort - weil alle Länder ihre Kultushoheit mit dem Kernelement ihrer schulpolitischen Alleinzuständigkeit unbeirrt verteidigen. Solange Bundespolitiker im Verdacht stehen, auf eine radikale Zentralisierung der Bildungspolitik zu drängen, wird sich nicht viel verändern. Das Erwachen in einem Bildungsnotstand könnte dann unausweichlich sein.
B. Zum Zweiten muss die Finanzbeziehung zwischen Bund und Ländern neu geordnet werden. Das ist eine sperrige Materie. Letztlich geht es dabei um die Schaffung von wirtschaftlich und finanziell nahezu gleich starken Ländern - ungefähr zehn an der Zahl - und um eine weitaus klarere Aufgaben- und Mittelzuordnung im Verhältnis zwischen Bund und Ländern. Es ist nicht verwunderlich,
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