Unterm Strich
dass seit Abschluss der letzten Verhandlungen zur Neuordnung des Länderfinanzausgleichs im Juli 2001 niemand mehr diese heißen Themen anfassen mochte. Die gültigen Regelungen, inklusive des Solidarpakts II, mit den neuen Ländern laufen zwar erst 2019 aus. Ich halte es aber für geboten, diesen Komplex nicht erst 2016 in Vorbereitung auf eine Lösung für 2019 auf die politische Tagesordnung zu setzen.
C. Der dritte Komplex steht damit in einem unmittelbaren Zusammenhang: die Finanzausstattung der Kommunen. Nach drei guten Jahren zwischen 2006 und 2008 mit einem Finanzüberschuss weisen alle Daten und Prognosen darauf hin, dass ein Großteil der Kommunen in Deutschland in massive Finanzprobleme gerät, falls dies nicht schon längst geschehen ist. Die Politik wird nicht zuschauen dürfen, wie die Fiskalkrise diverse Städte und Gemeinden um jede Handlungsfähigkeit bringt. Städte und Gemeinden sind schließlich die Ebene, auf der das Leben der Bürger konkret stattfindet. Es geht nicht nur um die Daseinsvorsorge für die Bürger, ihre Versorgung mit Dienstleistungen und Infrastruktur, sondern auch um die integrativen Funktionen der Kommunen - das geht bis in die Gestaltung des öffentlichen Raums, wo sich die Bürger begegnen, soziale Normen austarieren und für ein Gemeindeleben beziehungsweise Urbanität sorgen. Entgleitet dieser unmittelbare Lebensraum der Menschen der kommunalpolitischen Gestaltung und Ordnung, dann kippt auch die Qualität von Zivilgesellschaft und damit gesellschaftliche Stabilität.
Den Auswirkungen der Fiskalkrise auf die Kommunen wird man mit dem Hin- und Herschieben von einigen Steuerpünktchen kaum begegnen können. Politik steht vielmehr vor der Aufgabe, in den Beziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden die Handlungsfähigkeit auf jeder Ebene zu gewährleisten. Das heißt aber, dass erstens Bund und Länder strikt dem Konnexitätsprinzip folgen müssen, also den Kommunen keine Aufgaben ohne entsprechende Mittelzuweisungen übertragen dürfen; dass zweitens die Länder den Kommunen keine (Bundes-)Mittel vorenthalten, die den Kommunen zustehen; dass drittens den Kommunen eine verlässliche konjunkturrobuste Einnahmebasis zu sichern ist und dass viertens der kommunale Finanzausgleich auf der Ebene der Länder sehr viel differenzierter auf die spezifische Lage ihrer Kommunen justiert werden muss.
Das Unwesen der Expertokratie
In der nationalen Küche bemühen sich nicht nur Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften, Kirchen und Lobbys darum, mit allerlei Zutaten und Gewürzen - manchmal auch nur mit Senf - den Geschmack politischer Gerichte zu bestimmen. Neben den eindeutig identifizierbaren Interessenvertretern - deren Einfluss in einem sowohl informell hilfreichen wie auch interessengeleiteten Sinne hier nicht zum wiederholten Mal diskutiert werden soll - ist eine ganz eigene Branche von Experten und wissenschaftlichen Beratern, eine »Priesterkaste hauptberuflicher Einschätzer« (Gerhard Schulze), damit beschäftigt, unter dem Label neutralen Sachverstands die Verdrossenheit an den Irreführungen der Politik auszunutzen. Besonders in den Medien herrscht starke Nachfrage nach diesen »Kronzeugen«, die sich inzwischen einen festen Platz auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten erobert haben. Die Akquisitionsstrategie dieser Beratungsindustrie macht eine regelmäßige Präsenz in der öffentlichen Debatte erforderlich - möglichst mit aufmerksamkeitheischenden Stellungnahmen -, was wiederum eine scharfe Ablehnung der jeweiligen Regierungsposition als zwangsläufig erscheinen lässt.
»Politik - Experten - Medien« bewegen sich in einem engen Beziehungsgeflecht, an dem von allen drei Seiten geknüpft wird: Von der politischen Seite, weil sie in einer immer komplexer werdenden Welt wissenschaftlichen Sachverstand braucht und weil sie ihre eigenen Positionen gern durch wissenschaftliche Objektivität zu legitimieren sucht. Von der Wissenschaft, weil sie aus dem Elfenbeinturm zur Anwendung drängt und weil manche ihrer Vertreter bei immer knapperen Mitteln und wachsender internationaler Konkurrenz nicht mehr allein von Forschung und Lehre leben wollen. Und von den Medien, weil sie instinktiv Informationskanäle suchen und ihrem Publikum in Gestalt unabhängiger Sachverständiger Glaubwürdigkeit servieren wollen.
Ob es die ewigen Politologen in Talkshows und an Wahlabenden mit dem Blick in den Kaffeesatz sind, ob es um die Spitzennominierung zum klügsten Wirtschaftsprofessor Deutschlands
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