Unterm Strich
politischen Vereinsmitgliedschaft. Der Bund ist immer einer gegen 16.
Meine gelegentlichen Plädoyers im Bundeskabinett und im Haushaltsausschuss des Bundestages, sich konfliktbereiter aufzustellen, stießen auf wohlwollendes Nicken, zeitigten aber nie Konsequenzen, und am Ende lächelte man mitleidig ob meiner Naivität. Welche Bundeskanzlerin oder welcher Bundeskanzler wendet sich schon stramm gegen die Landesfürsten im Bundesrat, die der eigenen Partei angehören und für Mehrheiten in der Gesetzgebung gebraucht werden? Aus dieser parteipolitischen Asymmetrie ergibt sich eine systematische Schwächung der Haushaltslage des Bundes.
Der zweite Konstruktionsfehler resultiert aus Teil II der Föderalismusreform, die von Bundestag und Bundesrat im Juni 2009 verabschiedet wurde. Er besteht in dem Verbot der Kooperation des Bundes mit den Kommunen. Dieses stellt sich als reiner politischer Wahnsinn heraus. Mit Lüsterklemmen und Isolierband und in der Hoffnung, dass man keinem Verfassungsrichter begegnet, baute der Bund anschließend mühsam Lösungen, um seine Mittel dennoch den Kommunen zufließen zu lassen. Die aberwitzigen Folgen des Kooperationsverbots sind nicht minder deutlich geworden im Lichte des Bundesverfassungsgerichtsurteils zu den Jobcentern. Allein die Korrektur dieser beiden Konstruktionsfehler der jüngsten Föderalismusreformen wäre ein Fortschritt.
Wenigstens eine Errungenschaft war die Arbeit - und das Leiden - in den letzten Föderalismuskommissionen allerdings wert: die Schuldenbremse im Grundgesetz. Einige mögen sie gar nicht, andere wollten eine noch rigidere Lösung. Diejenigen, die gegen eine verfassungsrechtlich verankerte Schuldenbremse antraten, sahen sich in ihren politischen Handlungsspielräumen begrenzt. Zu Recht. Ihnen wird der bequeme und bisher nur allzu häufig beschrittene Ausweg in die Staatsverschuldung verbaut. Natürlich ist es politisch viel schmückender und vergnüglicher, frohe und teure Botschaften zu verkünden, ohne die niederträchtige Frage nach der Gegenfinanzierung beantworten zu müssen. Der Ernst der Lage ließ sich - jedenfalls bis zur Finanz- und Wirtschaftskrise - verdrängen oder als Dramatisierung phantasieloser Erbsenzähler unter den Haushaltspolitikern abtun. Die Verteilungsmentalität der Politik - quer durch alle Parteien - musste nicht aufgegeben werden, niemand brauchte den Bürgern die Grenzen der Finanzierbarkeit zu erklären.
Diejenigen, die damals rechtschaffen für eine noch schärfere Schuldenregel selbst in Krisenzeiten eintraten, stellen heute, da sie Regierungsverantwortung tragen, täglich eine Kerze als Zeichen ihrer Dankbarkeit ins Fenster, dass es dazu nicht gekommen ist. Dann wären sie nämlich auf Jahre platt. Auf der Streckbank der jetzt gültigen Schuldenbremse im Grundgesetz und des Defizitverfahrens der EU nach dem Maastrichter Stabilitäts- und Wachstumspakt werden sie ohnehin noch von vielen Glaubenssätzen abschwören und viele ihrer Oppositionsreden verschlucken müssen. Auch mein Mitleid mit den Bundesländern, die heute darüber klagen, dass sie ihre strukturellen Defizite bis zum Jahr 2019 auf null reduzieren müssen, hält sich in Grenzen. Sie waren es selbst, die sich unter dem Riegenführer Horst Seehofer in der Schlusskurve der zweiten Föderalismuskommission im Februar/März 2009 zu dieser Position hinreißen ließen. Kein Bundesvertreter hatte sie dazu ermuntert, geschweige denn veranlasst. Den Bumerang haben sie selbst geworfen, und ich möchte den Kraftakt erleben, der nötig sein wird, seine Flugbahn nachträglich zu korrigieren.
Nach meinem Ausscheiden aus der Bundesregierung nach der Wahl 2009 haben mich meine Kinder einmal gefragt, was denn als Leistung oder Verdienst meiner vierjährigen Amtszeit als Finanzminister überdauern könnte, wenn sich die Erinnerung an das Krisenmanagement 2008/2009 einmal verflüchtigt hätte. Ich habe spontan meine Mitwirkung an der Schuldenbremse im Grundgesetz genannt. Sie entspricht im Wesentlichen der Lösung, die im Bundesfinanzministerium in Anlehnung an die europäische Lösung im Stabilitätspakt erarbeitet worden war und die ich in die Beratungen der Föderalismuskommission eingebracht habe. Das eine oder andere Detail mag kritikwürdig sein. Der Kritik, die Regelung enthalte zu viele Schlupflöcher, vermag ich allerdings ebenso wenig zu folgen wie dem Einwand, sie sei ein Papiertiger. Entscheidend ist, dass die Schuldenbremse an die Stelle einer bis dahin weitgehend
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