Unterm Strich
Wachstumspakt bereits angelegt, aber unzureichend sind. Auf dieser Linie bewegt sich offenbar auch der EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso, wenn man seine Einlassungen von Mitte März 2010 nachhallen lässt. Er sollte darin unterstützt werden.
Von einer politischen Union sind wir Europäer nicht zuletzt auch deshalb weit entfernt, weil von einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik keine Rede sein kann. Dass mit dem EU-Reformvertrag ein Hoher Vertreter der Union für die Außen- und Sicherheitspolitik installiert wurde, ändert daran bis zum Beweis des Gegenteils nichts, zumal dieser Funktion unzureichende Kompetenzen zugeordnet worden sind. Jedenfalls hält bis heute niemand in der Welt die EU für eine machtvolle Veranstaltung, die mit Vorschlägen und Initiativen beispielsweise zu den außen- und sicherheitspolitischen Brennpunkten Afghanistan, Iran oder Israel/ Palästina Linien zieht und auch über (Macht-)Instrumente verfügt, diesen Linien praktisch nachzugehen. Viel mehr als Appelle und Geld haben wir nicht zu bieten. Catherine Ashton, die neue EU-Außenministerin, die sich nach dem EU-Reformvertrag offiziell nicht einmal so nennen darf, wird dieses Bild aller Wahrscheinlichkeit nach nicht korrigieren können. Genauso wenig ersetzt ein europäischer Auswärtiger Dienst mit bis zu 5400 Mitarbeitern und einem großzügigen Jahresetat die politische Kraft, gemeinsame europäische Vorschläge zur Außen- und Sicherheitspolitik zu konzipieren, und die Nachdrücklichkeit, sie politisch auch zu adressieren. Immerhin: Bei der Bewältigung der Finanzkrise haben sich die europäischen Vertreter im Financial Stability Board (früher Financial Stability Forum) unter dem italienischen Notenbankgouverneur Mario Draghi, die europäischen Notenbankgouverneure und die EZB unter Jean-Claude Trichet, die Eurogruppe unter Jean-Claude Juncker, der Europäische Rat für Wirtschaft und Finanzen (ECOFIN) und der Europäische Rat der Regierungs- und Staatschefs zu gemeinsamen europäischen Initiativen aufschwingen können.
In der Betrachtung der europäischen Aufstellung wird man den personellen Faktor nicht ausblenden können. Bei allem notwendigen Respekt wird kaum jemand behaupten können, dass das europäische Team in Bestformation auftritt. Die Ernennung von Lady Ashton zur Hohen Vertreterin der Union für die Außen- und Sicherheitspolitik wird inzwischen nicht gerade als ideales Casting angesehen, sondern eher dahingehend interpretiert, dass sich die größten EU-Staaten ihre außenpolitischen Spielräume erhalten und nicht durch eine starke Besetzung dieser Position beschneiden lassen wollten. Entgegen allen großartigen Beteuerungen, wie wichtig eine gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik mit einer überzeugenden Vertretung nach außen sei, bestimmten demnach nationale Interessenlagen die Entscheidung. Die Wahl des früheren belgischen Ministerpräsidenten Herman van Rompuy zum Ständigen Ratspräsidenten der EU wird ähnlich bewertet. »Van Rompuy war ein deutsch-französischer Kandidat und ist gewählt worden, weil er ein schwacher Kandidat war.« Beide werden in der Welt nicht als bekannte und anerkannte Repräsentanten Europas wahrgenommen. Ihre Nominierung erscheint als das Ergebnis spezifischer Verhinderungsstrategien - wer verhindert wen, wie, aus welchen Motiven - und des kleinsten gemeinsamen Nenners.
Die bessere Wahl wäre allemal auf den luxemburgischen Ministerpräsidenten Jean-Claude Juncker (»Mister Europe«) als Ständigen Ratspräsidenten und den früheren deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier als Hohen Vertreter der Union für die Außen- und Sicherheitspolitik hinausgelaufen. Sie hätten weltweit in einer höheren Gewichtsklasse auftreten können. Dazu hätte in dem einen Fall wohl der französische Staatspräsident über seinen Schatten springen und in dem anderen Fall die Bundeskanzlerin die Größe zeigen müssen, sich für einen deutschen Sozialdemokraten statt einer britischen Labour-Politikerin in die Bresche zu werfen. Dafür hätten die führenden Vertreter im Europäischen Rat allerdings nationale Vorbehalte und parteipolitische Distanzen überwinden müssen. Das fällt offenbar schwerer, als allenfalls zweitbeste Lösungen zu akzeptieren, die hinterher wider besseres Wissen als Goldstücke angepriesen werden.
Nicht viel anders stellt es sich mit der neuen EU-Kommission dar. Sie fungiert vornehmlich als Exekutive der EU und »ist... zugleich die
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