Unterm Strich
gelungen ist, diesen Subventionsblock anzugreifen und für die zentralen Herausforderungen Europas im 21. Jahrhundert zu öffnen, ist nichts anderes als blanker Irrsinn.
Jedes Plädoyer für ein starkes Europa, das mit seinem technologischen Know-how, seinen methodischen Kompetenzen und seiner hochwertigen Infrastruktur reüssieren muss, verblasst vor der Schwäche der EU, den europäischen Haushalt zu einem Lesebuch ihrer Zukunftsprojekte zu machen. Die aktuelle Finanzielle Vorausschau endet 2013. Die Aufstellung der neuen fünfjährigen Finanzplanung der EU dürfte spätestens 2011 anlaufen. Daraus ergibt sich jetzt die Notwendigkeit, zumindest die neue Wachstumsagenda »Europa 2020« auch mit Mitteln des europäischen Haushalts zu unterfüttern, nachdem die im Frühjahr 2000 beschlossene Lissabon-Strategie zur Zukunftssicherung Europas als gescheitert bezeichnet werden muss. Stattdessen zeichnet sich ab, dass die vom damaligen britischen Premierminister Tony Blair in einer Dezembernacht 2005 durchgesetzte Neuausrichtung des EU-Budgets immer weiter verschleppt wird. Ergebnisse der damals verabredeten grundlegenden Überprüfung sollten bereits 2009 vorliegen.
EU-Kommissionspräsident Barroso legte die neue Zehnjahresperspektive »Europa 2020« den Staats- und Regierungschefs auf ihrer Ratssitzung am 25-/26. März 2010 vor. Sie wurde verabschiedet, ohne dass man sich selbstkritisch in die Frage verstrickte, warum denn die Lissabon-Strategie allen wohlklingenden Ankündigungen zum Trotz ihre Ziele mit erheblicher Abweichung verfehlte. Sie wurde im März 2000 mit großem Aplomb als europäisches Wachstumsprogramm verabschiedet und sollte Europa bis zum Jahr 2010 zum »wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt« machen. Das ist nicht gelungen, obwohl die Grundzüge der Wirtschaftspolitik und die beschäftigungspolitischen Leitlinien im Jahr 2005 unter dem Dach einer neugefassten Lissabon-Strategie zusammengeführt worden sind. Dadurch wurden vertraglich festgelegte Instrumente ohne Druckmittel und die sogenannte Offene Methode der Koordinierung, die keine Rechtsverbindlichkeit besaß, miteinander kombiniert.
Damit springen die Gründe für das Scheitern der Lissabon-Strategie direkt ins Auge. Abgesehen von ihrer Überfrachtung mit Zielen, waren es im Kern die mangelnde Verbindlichkeit und die fehlenden Kontroll- und Sanktionsmechanismen. Während die haushaltspolitische Überwachung auf der Basis des Stabilitäts- und Wachstumspaktes und grundlegender Bestimmungen des EG-Vertrags mit Defizitverfahren und einschlägigen Sanktionen bis hin zu Geldbußen zwar nicht vollkommen - wie im Fall Griechenland zu beobachten ist -, aber im Ansatz funktioniert, ist die wirtschaftspolitische Koordinierung Schall und Rauch. Ein Binnenmarkt ist vorhanden, aber jeder kann vor sich hin werkeln, wie er will. Und alle haben es so gewollt.
Gewinnt die EU hier keine neue Qualität ihrer »Governance«, steht der neuen Wachstumsstrategie »Europa 2020« ein ähnliches Schicksal bevor wie der Lissabon-Strategie. Inhaltlich unterscheiden sie sich nicht wesentlich. Die Integration der EU ist übrigens dort, wo bisher Sanktionen vorgesehen sind und ausgesprochen wurden, etwa in der Wettbewerbs- und Beihilfekontrolle, am weitesten vorangekommen. Insofern ist den EU-Wettbewerbskommissaren, an denen man sich aus nationalen Interessen gerieben hat, Abbitte zu leisten. Mit drei von ihnen - Karel van Miert, Mario Monti und Neelie Kroes - habe ich die Klingen gekreuzt. Alle drei beherrschten ihr Metier.
Die Lissabon-Strategie hat nicht nur ihre Ziele verfehlt. Im Zeitraum ihrer Projektion hat sich sogar das Gefälle in Europa erhöht. Die Kombination aus schwindender Wettbewerbsfähigkeit mit der Folge steigender Leistungsbilanzdefizite und einer hohen Staatsverschuldung in einigen Mitgliedsstaaten hat die Eurozone einer sehr ernst zu nehmenden Belastungsprobe ausgesetzt. Auch auf Mitgliedsstaaten der EU mit einer eigenen Währung lastet dieser Problemdruck.
Es mangelt nicht an Stimmen, die ein Zerbrechen der Währungsunion infolge dieser Probleme für möglich, wenn nicht sogar für wahrscheinlich halten. Selbst wenn man die alarmistischen Töne ausblendet, bleiben dennoch beunruhigende Argumente. Die hohen Leistungsbilanzdefizite und die damit verbundenen Ungleichgewichte gegenüber Euroländern mit Leistungsbilanzüberschüssen wie Deutschland, heißt es, ließen sich nicht kurzfristig beseitigen. Die
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