Unterm Strich
befreien, der es immer mehr in die Tiefe zieht. Griechenland nimmt trotz seines ehrgeizigen Sparprogramms jährlich weiterhin neue Schulden auf. Wie sollen die Griechen je diesen wachsenden Schuldendienst erbringen können? Eine solche Umschuldung kann in einen Erlass von Schulden münden. Vorgeschaltet bieten sich eine Verlängerung der begebenen Staatsanleihen und eine Zinsstreckung an. In jedem Fall sollte vor der Auszahlung von Hilfsgeldern stets ein Teilschulderlass stehen, wie Hans-Werner Sinn, der Chef des ifo Instituts, richtig feststellt. Denn nur ein solcher Kreditausfall »veranlasst die Gläubiger, Vorsicht bei der Kreditvergabe walten zu lassen und sich das jeweilige Länderrisiko mit Zinsaufschlägen bezahlen zu lassen«.
In der Fachsprache nennt man eine solche Entschuldung einen »Haircut«. Der muss zwischen Gläubigern und Schuldnern vorbereitet werden. Denn natürlich trifft er alle Gläubiger, die entsprechende Abschreibungen in ihren Bilanzen oder entsprechende Verluste in ihren persönlichen Portfolios verbuchen müssen. Eine solche Operation ist aber gerechtfertigt. Zum einen haben die Gläubiger überdurchschnittliche Zinsen auf griechische Staatsanleihen erzielt, zum anderen ist nicht einzusehen, warum bei einem Ausfall ausschließlich die Steuerzahler ins Obligo treten sollen. Betrachtet man sich die deutschen Gläubigerbanken, fällt sofort auf, dass einige von ihnen, gelinde gesagt, nicht in Bestform sind und selbst mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Deshalb ist es wahrscheinlich, dass in diesen Fällen das Instrument des Bankenrettungspakets herangezogen werden muss.
Die Entscheidungen des Europäischen Rates zu den Notfallpaketen für Griechenland und der Eurozone insgesamt waren erkennbar auch von Bankeninteressen geprägt. Die Zahlen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) zeigen, dass im Falle Griechenlands europäische Banken Forderungen von über 270 Milliarden Euro haben, darunter französische Banken in Höhe von fast 80 Milliarden Euro und deutsche Banken mit rund 43 Milliarden Euro. Im Falle Portugals sollen die europäischen Banken über 240 Milliarden Euro und im Falle Spaniens über 850 Milliarden Euro »im Feuer haben«. Damit werden Zusammenhänge deutlich, die in der Wahrnehmung nationaler Bankeninteressen auf den Sitzungen des Europäischen Rates zumindest unterschwellig eine Rolle gespielt haben.
Die Argumente gegen einen »Haircut« der Griechen sind mir geläufig: Die Griechen würden damit aus einer weitgehend selbstverschuldeten Situation herausgepaukt; das Signal ginge in die falsche Richtung; Fehlverhalten in der Währungsunion bliebe folgenlos; eine solche Entschuldungsaktion ließe sich auch nicht beliebig und in jedem Fall wiederholen; letztlich entwickle sich die Eurozone damit zu einer Transferunion. Diese Argumente sind einleuchtend, sie helfen aber nicht weiter. Entkräften lassen sie sich nur mit dem Ernst der Situation für Europa und unter Hinweis darauf, dass parallel die Eigenanstrengungen zur Konsolidierung des griechischen Haushalts mit weiteren Konsequenzen auf der Ausgabenseite (aufgeblähter öffentlicher Dienst) konsequent fortgesetzt werden müssen, dass die Währungsunion einen Quantensprung in der finanz- und wirtschaftspolitischen Koordinierung mit klaren Vorgaben und Pönalen vollziehen muss und dass auch die Variante eines geordneten Insolvenzverfahrens für ein Mitgliedsland der Eurozone verankert wird.
Die hier skizzierte Entwicklung der Finanzkrise über eine Wirtschaftskrise und eine Fiskalkrise hin zur Staatskrise macht deutlich, dass der Gesamtvorgang weit komplexer und dramatischer ist, als sich mit dem strapazierten Begriff »Krise« beschreiben lässt. Es handelt sich nach meiner Einschätzung um eine Zäsur in mehrfacher Hinsicht, die ihre Spuren noch weit in die Zukunft legen wird.
Die Krise als Zäsur
Die ökonomischen Auswirkungen der Turbulenzen an den Finanzmärkten mit den Übersprungeffekten auf die Realwirtschaft und den Arbeitsmarkt sind offensichtlich. Die weltweiten Wohlstandsverluste werden unterschiedlich eingeschätzt. Der niedrigste Wert, den ich gelesen habe, war 15 Billionen US-Dollar. Den weltweiten Abschreibungsbedarf in den Bilanzen der Banken hat der IWF auf 1,7 Billionen Dollar taxiert. Der britische Rechnungshof schätzte Ende 2009 die Stützungsmaßnahmen der zehn wichtigsten Industrieländer für ihre Banken auf 5 Billionen Euro, darunter die USA mit 2,5 Billionen Euro. In den USA
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