Unternehmen CORE

begeistert, in den Chemie- und Materialkundezeitschriften, in Nature, in Science und dem Annual Review of Earth and Planetary Sciences. Sie schien ihn zu kennen, schien zu spüren, was er wollte (denn, wer immer auch die Ideen entwickelt haben sollte, das war nicht der Stil seines Sohnes, das waren sicherlich nicht Leidys Worte). Ihre Arbeit glich auf beinahe unheimliche Weise der seinen. Er versuchte zu berechnen, wann sie die Arbeit gemacht hatte, die in den Aufsätzen ihren Niederschlag fand. Er erkannte, daß sie ihm manchmal voraus war.
    Eine Zeit kam, als ihre Arbeit, Teile davon, seiner eigenen davoneilten. Die Wiederbelebung von Hudder Research als Firma im Staat New York gefiel ihm nicht. Daß sie von ihm, seinen Notizen und unveröffentlichten Papieren gestohlen hatte, war klar. Es mußte Teil ihres Vertrages mit Leidy sein – ihr das zu geben, was einst ihm gehört hatte. Cyrus unterdrückte seine Wut. Er betrachtete sein Alter, seine Position. Wie viele neue Ideen steckten noch in ihm?
    Schließlich begann er von ihr zu stehlen. Er las, was sie veröffentlichte; er brachte Noramar dazu, unveröffentlichte Daten vom HRI zu erwerben. Und die ganze Zeit über dachte er, wie glücklich Leidy sein mußte, sie gefunden zu haben.
     
    Der Hof vor dem früheren Stahlwerk beherbergte großflächige Testanlagen, eine davon war ein riesiger Druckkessel. Der Druckkessel bestand aus einem Tungsten-Stahlzylinder, der vertikal im Boden steckte; er war zur Hälfte mit Öl gefüllt, das so weit erhitzt werden konnte, bis es glühte. Seine Luke war so schwer wie der ganze Kessel; mit sechzig Zentimeter langen Schrauben, die in engen Intervallen um die Abdeckluke herum angebracht waren, war sie festgeschraubt. Das erste Mal, als Cyrus das Modell eines seiner Bohraggregate testete – das erste Mal, daß er den Druck auf über fünfhundert Atmosphären und die Temperatur auf über tausend Grad Celsius brachte –, hob die dreißig Tonnen schwere Luke plötzlich wie eine fliegende Untertasse ab und kam für lange Sekunden nicht wieder herunter. Jeder, der herumstand und das Experiment beobachtete, nützte das Zeitintervall; als sie schließlich wieder zu Boden kam, befanden sie sich einen Block oder mehr entfernt. Die Luke riß ein Loch in das Dach der Werkzeughalle und zerschmetterte eine Ladung Stahlplatten, die auf dem Boden lagen. In den nächsten Minuten legte sich ein feiner Nebel von verdampftem Öl leise auf die Umgebung. Wahrscheinlich nahm es nicht einmal jemand wahr; die Nachbarschaft bestand aus Tankanlagen und Raffinerien.
    Drinnen im versenkten, ruinierten Druckkessel ruhte das Testobjekt, ein fragiles Werkzeug aus transparentem Hudderit; es war unbeschädigt.
     
    »Wir sind der Ansicht, daß wir für den nächsten Abschnitt bereit sind«, sagte Edward bei ihrem monatlichen Treffen. »Dr. Daniel hat die Bohrgeräte perfektioniert, die das Zielobjekt erreichen sollen.«
    Langsam stand Cyrus auf und ging zum Ende des Tisches, wo Edward saß. Edward grinste und nickte und die Gesichter am Tisch grinsten mit ihm. Gerken befand sich wieder im Raum, sein zweiter Besuch. Jemand sagte, gut gemacht. Gerken sagte: »Sehr gut.« In seinem Gesicht allerdings zeigte sich nicht das geringste Anzeichen von Lächeln. Jemand klatschte, bald darauf fielen alle Männer am Tisch in den Applaus ein.
    Cyrus zwang sich zu einem Lächeln und nickte. Er hatte nicht die Absicht, Edwards übertriebene Einschätzung seiner Leistung zu korrigieren; sie kam der Wahrheit ziemlich nahe. Das Loch würde gebohrt werden. Vierhundert Kilometer. Sechshundertundsiebzig Kilometer. Wie tief ihr auch immer wollt. Nichts Neues hier. Die Antwort war ja.

 
CORE CITY, 1993
     
    Leidys Haus an der Pronghorn Terrace stand, im Winkel versetzt, neben Martas Haus. Die Stadtplaner hielten es für angemessen, ein großes Haus für den Direktor von CORE zu erstellen und ein beinahe ebenso großes für ihren Assistenzdirektor. Leidy entschuldigte sich bei Josie; er würde gleich wieder zurück sein, um ihr Essen zu bereiten, und ging zum Haus gegenüber. Er öffnete die Tür, ohne anzuklopfen.
    Marta stand auf dem Lanai, einen Drink in der einen, eine Zigarette in der anderen Hand, und schritt auf und ab. Der beleuchtete CORE-Bohrturm spiegelte sich in ihrem Panoramafenster – elegant, erhaben glitzerte er wie der heilige Gral. »Was soll dieser Scheiß aus deinem Büro?« warf sie ihm entgegen.
    »Mein Büro? Welcher Scheiß?« fragte Leidy, obwohl er nicht