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Unternehmen CORE

Unternehmen CORE

Titel: Unternehmen CORE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Preuss
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Grund Sorgen zu machen.
    Mendez richtete das Licht auf die modernen Piktogramme. »Die Leute wissen nichts mit sich anzufangen«, sagte er. Seine Stimme klang im engen Felsschacht tot; er besaß gerade die richtige Breite, um Echos zu ersticken. So weit gingen seine moralischen Verurteilungen. Mendez sprach selten über Respekt oder Besitzrechte, nur über Ignoranz oder Motivation. Er hatte niemals ein Wort über unsere Jungs in Vietnam verloren.
    »Was machen wir hier drinnen?« fragte Leidy, als Mendez sie weiter in den Tunnel führte. Seine Nerven flatterten mit jeder Sekunde mehr. Niemals zuvor war er an einem solch dunklen und engen Ort gewesen, ein Ort, an dem verdammt viele Steine über seinem Kopf hingen. Mendez hielt sich fast nie damit auf, in alte Minen zu sehen, da, wie er Leidy erzählte, alles, was Menschen mit Pickeln und Schaufeln aus dem Gestein herausholen konnten, bereits fort war. Entweder befand es sich in der Halde oder im Stampfwerk.
    »Ich erwarte nicht, hier irgend etwas zu finden«, gab Mendez zu. »Aber ist dir nicht die kleine Halde draußen aufgefallen?«
    »Die Mine hatte es also in sich.«
    »Der Tunnel geht tief hinein, wie wir feststellen können. Du kannst mir nicht weismachen, daß das Gestein, das draußen auf der Halde liegt, alles war, was hier rausgeholt wurde. Die Mine mußte ziemlich ergiebig gewesen sein.«
    »Vielleicht haben sie alles zum Stampfwerk gebracht«, gab Leidy zu Bedenken. »Oder vielleicht kamen später welche und haben alles zum Stampfwerk abtransportiert. Es gibt hier drinnen nichts mehr für uns.«
    »Mag sein.« Mendez’ suchender Taschenlampenstrahl fand zerbrochene Bierflaschen, einen Büstenhalter, der an einen verrußten Pfosten genagelt war, Unterhosen an einem anderen Holzträger. In einer Ecke Wachsstalagmiten geschmolzener Kerzen. Weiter drinnen lag ein vergilbtes Photomagazin aufgeschlagen – skandinavischer Herkunft, nach den blassen Haaren der über die Schulter blickenden nackten Modells zu schließen. Mendez sparte sich Bemerkungen zu den Kulturprodukten. »Aber vielleicht haben Plünderer wie wir den einen oder anderen guten Stein übersehen. Ich kann es einfach nicht glauben. Und ich kann mich selbst nicht ertragen, wenn ich nicht einen Blick darauf geworfen habe.«
    Leidy haßte die dunkle stickige Höhle, deren Seitengänge ins Nichts führten. Er klammerte sich an den Glauben, daß Mendez wußte, was er tat. Mendez’ Lichtstrahl glitt rhythmisch über die Wände und den Boden. Er bewegte sich vorsichtig voran, sorgfältig darauf achtend, wohin er den Fuß setzte.
    Dann brach der Boden, der im kreisrunden Schein der Lampe einen festen Eindruck gemacht hatte, unter ihm weg, und das Licht erlosch.
    »Mendez«, schrie Leidy. Seine Stimme klang in der Dunkelheit schrill.
    Lange hörte er das Gepolter der Felskaskade, die Schwärze füllte sich mit dem Geruch der aufsteigenden Staubwolke. Dann war es still, bis auf das Rieseln der Kieselsteine und plötzlich gab es Echos, die vorher nicht da waren.
    Niemand antwortete auf Leidys Rufen.
    Er hatte in seiner Jackentasche eine billige Plastiktaschenlampe. Er leuchtete damit in den Schacht, der sich vor ihm auftat. Nichts war zu sehen außer Dunkelheit und Staub.
    »Mendez!«
    Im Truck gab es ein Seil und einen Erste-Hilfe-Kasten. Und eine stärkere Taschenlampe. Er brauchte diese Dinge; er rannte los. Zehn Minuten später war er wieder am Abgrund zum Schacht, sein Herz klopfte, seine Lungen keuchten, er rang so laut nach Luft, daß er glaubte, nicht mehr denken zu können, obwohl er wußte, daß er ganz klar dachte.
    »Mendez!«
    Er glaubte ein Stöhnen zu hören, das Pulsieren des Blutes in seinen Ohren war allerdings so stark, daß er sich dessen nicht sicher war. Mit dem schmalen Strahl der Taschenlampe leuchtete er die Wände des Stollens ab, bis er einen Pfosten fand. Er schlug mit den Füßen dagegen und prüfte, ob er fest genug war, dann band er das steife gelbe Seil daran fest.
    Er wußte nicht genau, was er tun sollte, er improvisierte; er schlug das Seil um seine Hüften und ließ sich über die Kante. Mit dem Kopf stieß er gegen die Wände des Schachtes. Mit Knien und Ellbogen versuchte er sich wegzudrücken, ohne Erfolg, er schwang weiterhin vor und zurück und schlug gegen die Felsen.
    Dann befand er sich im freien Raum.
    Er ließ sich weiter hinab, ließ sich am Seil hinunterrutschen, bis seine Füße Boden berührten.
    »Mendez!«
    »Hier.« Die Stimme war ein schmerzerfülltes

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