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Unternehmen CORE

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Titel: Unternehmen CORE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Preuss
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Erdkern reisen, Leidy Hunter.«

 
AUF DER ANDEREN SEITE DER ERDE, AM GRUND DES MEERES
     
    Zur gleichen Zeit, als Leidy und Marta auf Long Island Spaghetti aßen, steuerte eine junge Einheimische Tongas namens Elizabeth Tabou das Forschungstauchboot Vinland in die schwarzen Tiefen des Tonga-Grabens.
    Nur ein geographischer Zufall hatte Queenie Tobou auf die Inseln zurückkehren lassen, auf denen sie geboren wurde – das erste Mal, daß sie wieder diese Lavafelsen und Korallensandaufschüttungen betrat, nachdem sie mit achtzehn Jahren an die Universität von Cambridge ging. Sie hatte einen langen Weg um die Erde hinter sich, Woods Hole in Massachusetts und das Forschungsinstitut im kalifornischen Monterey Bay Aquarium; da sie am und auf dem Meer aufgewachsen war, verdiente sie sich nun ihren Lebensunterhalt unter Wasser. Und tiefer als im Tonga-Graben konnte sie kaum mehr gehen – es ist der um einige hundert Meter zweittiefste Ort auf der felsigen Oberfläche des Planeten.
    Die kleinen runden Bullaugen der Vinland glichen kaum den großen Observationsfenstern, die Captain Nemos Plüsch-Wohnzimmer auf der Nautilus zierten; doch das, was Queenie und die anderen Mitglieder der Crew durch sie gesehen hatten, war fremdartiger als alle Träume Nemos: Fische mit alptraumhaften Fratzen, die wie Neonröhren leuchteten, Überreste einer lange verschwundenen Vergangenheit; Tintenfische, Quallen und Nacktkiemer von fragiler Zierlichkeit, manche davon tödlich giftig; Schlote auf den Schultern von unterseeischen Vulkanen, die schwarze und weiße Rauchwolken auszustoßen schienen, die Heimat von riesigen Röhrenwürmern, Riesenmuscheln und blinden Krebsen – eine fremde Ökologie, deren Existenz vom Ursprung des Lebens auf der Erde zeugte. Und einmal die Andeutung eines dieser mythischen Zusammentreffen – eine Andeutung, die der Computer aus den Daten hochauflösenden Sonars auf den Bildschirmen des Tauchbootes rekonstruierte, denn der Aufenthalt in Sichtweite der beiden Duellanten wäre tödlich gewesen –; der Todeskampf eines Pottwals mit einem riesigen Tintenfisch, mehr als drei Kilometer in der Tiefe.
    Im Augenblick aber beleuchteten die mächtigen Flutlichter des Tauchbootes nichts anderes als eine beinahe vertikale schwarze Schlickmauer, die nur wenige Meter entfernt lag. Queenie rückte ihr Gesicht an eine kleines rundes Fenster und murmelte kaum hörbar.
    Der Wissenschaftler neben ihr war ein magerer Engländer, der sich zusammenrollte, um in das Boot zu passen. »O Gott, Queenie, wir streifen nun schon seit einer Stunde und zwanzig Minuten um denselben Klippenabschnitt. Wo liegt das Problem?«
    »Würde es Ihnen was ausmachen, mich ein wenig in Ruhe zu lassen, Dr. Ralph. Sie gehen mir auf die Nerven.«
    Über die Lautsprecher in der winzigen runden Kabine kamen die weichen Töne des Sonars, die leisen Schläge, die den Navigationsmonitor mit den Positionsdaten fütterten. Dimitrakis Georgiou, der zweite Pilot, war der dritte in der vollgestopften Kugel. Er verhielt sich ruhig, wenn Queenie arbeitete; leise sprach er nun zu ihrer Verteidigung. »Es ist ein verdammt schwaches Signal, aber wir hören es. Warum können wir es nicht sehen?«
    Die Funksignale, die die Vinland suchte, gehörten zu einem der Instrumentenpakete, die sie zwei Jahre früher entlang des Grabens ausgesetzt hatten; sie zeichneten seismische Aktivitäten auf, sammelten Daten zum Erdmagnetismus und erstellten chemische Analysen des Meerwassers. Diese Pakete waren kaum größer oder komplizierter als die Geräte, die auf dem Mars oder der Venus ausgesetzt wurden, um dort Weltraumproben zu entnehmen. In sechs Kilometer Tiefe waren sie allerdings fast ebenso schwierig zu plazieren. Ihr Vorteil lag – zumindest hypothetisch – darin, daß diese Proben wieder eingesammelt werden konnten.
    Das Tauchboot erzitterte, als die Verkleidung der Heckschraube einen unsichtbaren Felsvorsprung rammte. »Verdammt, wir haben hier eine Strömung. Ich habe den Grund verloren.« Queenie drückte die vertikalen Düsen und versuchte, über das unsichtbare Hindernis hinwegzuschweben. Eine kleine Schlammlawine floß den Abhang hinunter, das Wasser um sie herum trübte sich durch Schwebeteilchen. »Wo ist der Grund?«
    Queenie schaltete die Lichter aus, um Batterie zu sparen. Sie überprüfte die Anzeigen. Sie hatten noch genug Energie und Luft, aber sie konnten die Suche nicht ewig fortsetzen. Sie waren bereits so tief wie kaum ein Tauchboot jemals zuvor; den Rekord

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