Unternehmen Delphin
Champagner. – Was kommt noch?«
»Eine kluge Frage.« Fisher versprühte einen Charme, dem man sich kaum entziehen konnte. In Biscayne Bay, der Enklave, die Helens Welt seit Jahren war, lebte man nur mit ernsten Wissenschaftlern zusammen, von denen die einen wortkarg waren, die anderen muffelig – sah man von Finley und Rawlings ab. Aber auch deren Charme bestand nur darin, ihr außerhalb der Arbeit mit Longdrink-Gläsern zuzuprosten. »Spüren wir ihr nach? Abgemacht?«
»Nein! Ich muß fahren.«
»Nehmen wir an, mein Rammstoß hätte Sie fahrunfähig gemacht. Rabbit kaputt – was dann?«
»Es gibt genug Taxis.«
»Sie trauen mir doch wohl zu, daß ich Sie nie, nie mit einer schmuddeligen Taxe hätte wegfahren lassen!« Will Fisher ging nach vorn, stellte sich vor den Rabbit und machte es Helen auf diese Weise unmöglich, einfach loszufahren. »Stellen wir uns diesen Ernstfall vor, Miß Helen. Ein Champagner zur Beruhigung ist also das mindeste.«
»Ich habe verderbliche Ware im Wagen.«
»Auch das noch!« Fisher hob mit einer dramatischen Geste die Arme. »Dann ist keine Zeit zu verlieren. Sehen Sie das Schild, zwanzig Meter weiter: ›Paulus' Inn‹? Das richtige Lokal! Paulus war der Apostel, dessen Saulus-Leben sich durch ein erschütterndes Ereignis änderte.«
»So gut kenne ich die Bibel auch.« Helen zögerte und kämpfte gleichzeitig gegen eine Regung ihres Herzens an, Will Fishers Art anhörenswert zu finden. »Nur ein Glas«, sagte sie wider alle Vernunft und gegen ihren Willen, »damit Sie endlich Ihren Schuldkomplex abbauen …«
Natürlich blieb es nicht bei dem Champagner. Es folgte ein Dinner der Nouvelle Cuisine, bei einem Rotwein mit Namen Château Margeaux, der von dem Oberkellner wie eine Monstranz herangetragen wurde und den Will Fisher mit geschlossenen Augen verkostete.
Nach vier Stunden – Helen nannte sich innerlich eine saudumme Kuh – führte Fisher sie zu ihrem Rabbit zurück und winkte ihr fröhlich nach, denn er hatte ihr die Zusage abgerungen, sich übermorgen wieder mit ihm zu treffen. Im Miramar-Palast. Zu einem Gala-Gastspiel von Sammy Davis jr.
Wütend über sich selbst fuhr Helen nach Biscayne Bay, roch an dem Waldorf-Salat, stellte fest, daß er natürlich sauer geworden war, kippte ihn in den Mülleimer und ging zum Fernseher. Sie tastete alle Programme ab, fand alle Sendungen schrecklich blöd, holte aus dem Kühlschrank eine Flasche Maracuja-Saft, zögerte dann, griff aber schließlich doch zu einer eisgekühlten Wodkaflasche und kippte einen gehörigen Schuß in das Glas.
Die Mischung tat ihr gut. Sie setzte sich draußen auf die überdachte Terrasse in ihren Korbschaukelstuhl, wippte hin und her und empfand es jetzt als wohltuend, daß sich niemand um sie kümmerte und keiner mehr in dem großen Innenhof herumlief. Nur von dem Delphinbecken her tönten Grunzen, Pfeifen und Klappern und das laute Planschen, wenn die hochgeschnellten Leiber wieder ins Wasser fielen. Töne, die untrennbar zu Helens Leben gehörten.
Immobilienmakler ist er, dachte sie. Hat ein Haus bei Miami gekauft und richtet es jetzt ein. Zweiundvierzig Jahre alt. Geschieden. Seine Frau brannte mit einem Architekten durch, während Blacky – verdammt, sie nannte ihn in Gedanken schon Blacky, welch ein Blödsinn! – in Colorado Grundstücke verkaufte. Als er zurückkam, fand er statt seiner Frau Liliane nichts als einen kurzen Zettel auf der Couch: Ich bin weg, für immer. Such mich nicht. Es hat keinen Zweck.
Als Blacky das erzählte, hatte er feuchte Augen bekommen. Sein Dasein sei jetzt nur noch Arbeit. Allein Arbeit könne ihn trösten. Helen war so gerührt, daß sie in die nächste Verabredung einwilligte. Blacky küßte ihr die Hände. Zart, zögernd, fast demütig – so wenigstens empfand sie es. In dieser Art hatte noch niemand ihre Hand geküßt.
Bei all dem blieb sein Verhalten immer korrekt und auf Distanz bedacht. Er erwies sich als ein Kavalier mit vollendeten Manieren, der nicht einmal beim Tanz den Versuch machte, Helen auf die Schulter oder in die Halsbeuge zu küssen. Bei jedem Treffen empfing er sie mit gelben Teerosen, weil sie einmal gesagt hatte, das sei ihre Lieblingsblume. Und dreimal bestellte er Langusten portugiesischer Art, weil sie davon so begeistert gewesen war. Es waren schöne Abende mit Fisher, und Helen ertappte sich dabei, daß sie sich auf die nächste Verabredung wirklich freute. Mit Rawlings oder Finley darüber zu sprechen, hielt sie nicht für
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