Unternehmen Delphin
unserer Kontrolle stehen!«
»Dreißig Wagen können wir schlecht verlieren«, sagte Paco.
Ischlinski schnaufte, warf den Hörer weg und sprang aus dem Bett. Ein ganz merkwürdiges Gefühl trieb ihn hoch, und seine Gefühle hatten ihn noch nie betrogen …
7
Da standen sie nun, zu einer Reihe aufgefahren und sauber ausgerichtet: dreißig Kolosse auf drei Achsen mit je sechs Doppelrädern; also pro Wagen zwölf breite, hohe Reifen. Die Ladeklappen waren heruntergelassen und gaben den Blick frei auf die in besonders abgefederten Gerüsten hängenden Kunststoffbecken. Neben den Becken befanden sich in einer Art Kabine, abgetrennt durch einen Vorhang, jeweils zwei Betten, ein Tisch, zwei Stühle, ein schmaler Schrank, ein Eisbereiter und ein Fernsehgerät, alles fest eingebaut. Diese Kabinen dienten als Aufenthaltsraum für die beiden Aufsichtspersonen pro Wagen.
Der Leiter des Transportes, ein ehemaliger Captain der US-Army, hatte Dr. Rawlings an der Einfahrt zur Forschungsstation begrüßt und die Kolonne fast militärisch gemeldet. »Dreißig klimatisierte Spezialtrucks zur Stelle!« hatte er gesagt. Jetzt meinte er: »Delphin müßte man sein, Sir. Zwei Mann Betreuung, geheiztes Wasser, keine Eßsorgen, liebevolle Pflege – auf dieser Welt scheint sich jetzt alles verkehrt herum zu entwickeln.«
»Nicht nur das!« lachte Rawlings und sah freudestrahlend auf die dreißig Riesenlaster im großen Innenhof vor dem Delphin-Bassin. »Es gehören auch zwei eigene Ärzte dazu und neun Psychologen.«
»Verdammt! Da haben wir beim Ausbau etwas vergessen!« rief der ehemalige Captain.
»Mein Gott, was denn?«
»Die Couches für die Psychiater! Wo sollen sich denn die nervenkranken Delphine hinlegen, wenn sie seelisch behandelt werden?«
Nach diesen Frotzeleien begannen die Vorarbeiten für den Abtransport. Man hatte bereits lange dicke Schläuche, wie sie auch die Feuerwehr benutzt, von den Wagen bis an den Strand verlegt und pumpte nun das gegenwärtig 23 Grad warme Meerwasser in die Kunststoffbecken. Dort richteten sich sofort die feinen Thermostate darauf ein; sie würden diese Temperatur bis nach San Diego konstant festhalten. Dr. Finley, Dr. Clark und sechs andere Wissenschaftler hockten oder saßen an dem großen Bassin und hatten ihre ›Kompanien‹ zusammengerufen.
Die Delphine waren unruhig. Obwohl man in den letzten Tagen das Verladen schon mehrfach simuliert hatte, sahen, hörten und spürten sie, daß es nun ernst wurde. Was bisher ihre Heimat gewesen war, die Bay, die Riffe, die Korallen, das Bassin, die Übungstürme, die gesamte vertraute Umgebung, das sollte nun aufgegeben werden. Das Unbekannte, dem sie entgegenfahren mußten, erregte sie sehr. Ihr feines Nervensystem vibrierte. Ihre Betreuer sprachen ihnen beruhigend zu, aber trotz allen Drills der vergangenen Monate, ja sogar Jahre blieb die Nervosität. Vor allem John hob immer wieder den Kopf aus dem Wasser, schnellte hoch, drehte sich in der Luft und blickte um sich: Er suchte Helen.
Aber Helen war nicht da. Sie blieb in ihrem Bungalow, hatte die Jalousien heruntergelassen, saß im Wohnzimmer, hatte den Plattenspieler auf laut gestellt und hörte sich eine Sinfonie von Mozart an. Eine vergebliche Flucht, ein sinnloses Vergraben – während die Musik sie umrauschte, dachte sie immer nur daran, was jetzt da draußen geschah. Zweimal war Finley an ihre Tür gekommen, hatte geklingelt, mit der Faust geklopft und sie gerufen. Aber sie hatte nicht geöffnet. »Laßt mich in Ruhe!« hatte sie zuletzt geschrien. »Geht weg! Ich gehöre ja nicht mehr zu euch!«
Finley war daraufhin zu Rawlings gelaufen und hatte gesagt: »Steve, du mußt etwas unternehmen. Helen dreht sonst durch. Sie versteckt sich hinter Mozart.«
»Mozart ist gut.« Rawlings hatte müde gegrinst. »Mozart ist fröhlich. Bei Gustav Mahler wäre es bedenklicher.«
»Du hast vielleicht Nerven!« hatte Finley geschrien.
»Eben. Einer muß ja welche haben. Ihr benehmt euch alle, als hättet ihr euer Gehirn zur Überholung abgegeben.«
Aber auch Rawlings war an diesem Tag verändert. Er war einsilbig, und wenn er doch mal etwas sprach, war er grob; ein Beweis, daß auch seine Nerven nicht mehr die besten waren.
»Gut! Gut!« keifte er Finley an. »Ich gehe später zu Helen und tröste sie. Vielleicht hilft's, wenn ich ihr Mozart vorsinge: ›In diesen heil'gen Hallen …‹.«
»Idiot!« brüllte Finley und stürmte davon zum Bassin, wo der Delphin John immer wieder aus dem
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