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Unternehmen Grüne Hölle

Unternehmen Grüne Hölle

Titel: Unternehmen Grüne Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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jeden Tag. Aber die elegante
Glockengießer-Straße erschien ihr heute trostlos wie das Ende der Welt, und
Johannas blasses Gesicht hätte eher zu einer Krankheit gepaßt, nicht jedoch zu
Schmuck und Geschmeide.
    Zuvorkommend wie immer behandelte sie
die Kunden. Zu einem Lächeln konnte sie sich allerdings nicht aufraffen.
    Ihren beiden Kolleginnen blieb das
nicht verborgen. Sie fragten, ob es ihr nicht gutgehe.
    „Vielleicht ist eine Grippe im Anzug“,
meinte Johanna. „Im Herbst erwischt sie mich immer. Ich habe auch gar keinen
Appetit. Ich glaube, heute verzichte ich aufs Mittagessen.“
    „Das wäre ganz falsch“, meinte die
Kollegin, die gerade ein goldenes Armband polierte. „Besonders bei Erkältungen
soll man kräftig zulangen.“
    Sie hatte Übergewicht. Wie Johanna wußte,
war ihr jede Ausrede recht, um ihren Appetit zu rechtfertigen.
    Der Vormittag schleppte sich dahin.
Kein Kunde kaufte den Klotz von Kalifaru. Auch für die anderen kostbaren Stücke
interessierte sich niemand.
    Johanna dachte an ihre Mutter, und ihr
war sehr elend zumute. Dann wurde es 12 Uhr. Mittagszeit.
    Johanna sagte, sie werde hier bleiben.
    Die beiden Kolleginnen schoben ab. Aber
die Mollige blieb in der Tür stehen.
    „Soll ich Ihnen was mitbringen,
Johanna? Vielleicht ein Sandwich?“
    „Nein, nein! Danke!“ Himmel! Die konnte
einen nervös machen mit ihrer Aufdringlichkeit. „Gehen Sie nur! Bis später!“
    „Schließen Sie sich gut ein!“
    Als Johanna allein war, wurde die
Aufregung übermächtig. Sie zitterte. Hinten, im Büro, sank sie in einen Sessel
und preßte die Hände an die Schläfen.
    Endlos schien sich die nächste Stunde
zu dehnen.
    Bedrückende Gedanken lähmten sie. Wie
würde ihr Chef reagieren? Er war der Typ, der bei jeder Kleinigkeit explodierte
— in seinem Verhalten. Würde er sie verdächtigen, mit dem Verbrecher gemeinsame
Sache zu machen? So was war alles schon dagewesen. Und die Betreffenden hatten
länger als fünf Jahre an verantwortlicher Stelle in ihrer Firma gearbeitet.
    Sie verscheuchte die Gedanken.
    Um 12.55 Uhr ging sie in den Laden.
    Erst in einer Stunde würden ihre
Kolleginnen zurückkehren. Teiggesicht hatte genug Zeit.
    Und da war er auch schon.
    Er stand vor einem der Schaufenster.
Heute trug er einen schäbigen Lodenmantel. Auch der braune Cordhut hatte seine
besten Tage hinter sich.
    Jetzt kam Teiggesicht zur Tür.
    Johanna schloß auf.
    Er trat ein. „Hallo, Schätzchen.“
    „Nennen Sie mich nicht so. Ich bin
nicht Ihr Schätzchen.“
    „Aber klar. Ganz wie du willst,
Schätzchen.“
    Sie wollte die Tür schließen. Dazu kam
es nicht mehr.
    Johannas Augen weiteten sich. Sie
starrte an ihm vorbei.
    Im selben Moment erhielt Teiggesicht
einen Stoß in den Rücken. Er stolperte vorwärts. Mühsam blieb er auf den
Beinen.
    Seine Hand fuhr zur Manteltasche, wo er
seine Pistole hatte. Aber eine kalte Mündung berührte seinen Nacken.
    „Überfall!“ dröhnte ihm eine frische
Stimme ins Ohr. „Keine Bewegung, Opa! Sonst ist es aus mit dir.“
    Teiggesicht spürte, wie ihm seine
Pistole weggenommen wurde.
    Ein Tritt, der einem Weltklasse-Kicker
Ehre gemacht hätte, traf ihn ins Hinterteil.
    Er flog vorwärts, durchs halbe
Geschäft, prallte gegen eine Vitrine und klammerte sich fest.
    Das durfte nicht wahr sein! Das gab’s
einfach nicht! Nein! Er träumte nur alles. Aber wieso wachte er nicht auf?
    „Überfall!“ tönte jetzt eine andere
Stimme. Sie klang sehr jung.
    „Das hatten wir schon“, knurrte der
erste. Dann fuhr er Johanna an. „Glotzen Sie nicht! Schließen Sie die Tür ab!
Los, los! Und ziehen Sie den Samtvorhang zu! Fehlte ja noch, daß uns ein
Passant sieht. Eins rate ich Ihnen besonders: Bleiben Sie weg von der
Alarmanlage!“
    „Sonst können Sie was erleben!“ kläffte
der andere.
    Langsam, immer noch wie im Traum,
drehte sich Teiggesicht um. Offenen Mundes starrte er die beiden an. ,
    Es waren Jugendliche. Ohne Zweifel. Der
eine klein und rund, der andere hochgewachsen und athletisch. Von den
Gesichtern sah Teiggesicht nur Augen und Nase. Denn sie trugen Wollmützen wie
Abfahrtsläufer, wenn die mit 100 Stundenkilometer von den 3000er-Gipfeln
runtersausen — durch Eis und Schnee. Nein! Irrtum! Solche Mützen waren das nicht,
sondern sogenannte Sturmhauben, die bekanntlich nur grau sind und auf modischen
Schick sowie Farbe verzichten.
    Der kleine Dicke hielt eine gefährliche
MP in der Hand und zielte auf Teiggesichts Bauchnabel. Der Große war mit

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