Unternehmen Vendetta
dieses Geräusch ließ ihn kurz vor Zweifel zusammenzucken. Es war fast eine kleine Woge der Angst.
Sie kam mit Johanna Louise auf dem Weg in die Küche ins Wohnzimmer. Er stand gleichzeitig auf und erschreckte sie.
»Was, du bist zu Hause… warum mußt du mich so erschrekken? Wo zum Teufel hast du übrigens gesteckt?« begrüßte sie ihn. Ihrem Gesicht waren mehrere widerstreitende Gefühle anzusehen.
Johanna Louise lallte fröhlich vor sich hin.
»Nach Joars Tod ist viel zu erledigen gewesen«, erwiderte er und schlug die Augen nieder. Er spürte, wie seine Entschlossenheit dahinschwand.
»Aber warum hast du nichts von dir hören lassen? Kapierst du nicht, daß man unruhig wird, wenn… ja, wenn es in der Zeitung steht und im Radio zu hören ist?«
Sie blieb unentschlossen mit Johanna Louise auf dem Arm stehen, und er ging ihr nicht entgegen.
»Ich möchte mich scheiden lassen«, sagte er.
Sie antwortete nicht, sondern sah ihn nur an. Er konnte ihren Gesichtsausdruck nicht deuten.
»Es ist eine andere Frau, die schon vor dir da war. Jetzt gibt es sie wieder. Ich kann dich nicht länger betrügen, kann auch sie nicht länger betrügen und mich selbst auch nicht. So ist es.« Sie antwortete nicht, sondern ging nur zum nächsten Sessel, setzte sich und betrachtete ihn prüfend, als wollte sie herausfinden, ob es sich um einen bizarren Scherz handelte, einen Test, ein selten unbedachtes Spiel, oder ob es ernst war.
»Wie… wie wird es mit Johanna Louise… was hast du dir gedacht…?« begann sie, aber die Stimme versagte ihr.
»Du kannst hier wohnen bleiben, wenn du willst. Ich übertrage den Vertrag auf dich. Wenn du willst, kannst du dir eine neue Wohnung nehmen. Ich glaube, das heißt gemeinsames Sorgerecht. Deine finanziellen Verhältnisse sind geordnet. Ich werde eine Zeitlang verreisen.«
»Ist das alles, was du mir zu sagen hast?« fragte sie. Es kostete sie sichtlich Anstrengung, sich zu beherrschen.
»Ja«, erwiderte er kurz und ging an ihr vorbei. Er riß im Gehen die Aktentasche an sich, hielt demonstrativ seine Schlüssel hoch und legte sie auf eins der Tischchen neben dem Sofa. Dann ging er weiter, verließ die Wohnung, lief die Treppe hinunter und ging auf der Straße zu seinem geparkten Wagen, ohne innezuhalten oder sich auch nur einmal umzusehen. Auf dem Weg dorthin dachte er an nichts, erfaßte kaum, daß er sich fortbewegte, und holte sich erst ein, als er im Wagen saß und den Schlüssel ins Zündschloß gesteckt hatte.
Da erst befiel ihn der Schock. Er hörte Johanna Louise, plötzlich und überraschend, als säße sie auf dem Rücksitz, und sah Eva-Britt vor sich. Eine Flut von Erinnerungen durchspülte seinen Kopf.
Es dauerte eine Weile, bis er es über sich brachte, den Wagen zu starten.
Åke Stålhandske segelte. Von allem, was er während seiner fünf Jahre langen Ausbildung in Kalifornien miterlebt hatte, war ihm dies am überflüssigsten erschienen. Navigation über und unter Wasser ist in Ordnung, dachte er, ein Gefühl für Motoren und schnelle Motorboote ebenfalls, aber wann kann es jemals vorkommen, daß man dem Feind entgegensegelt?
Doch jetzt tat er es. Frische Brise, mäßiger Seegang, klares Wetter. Er hielt Kompaßkurs auf die nordwestliche Ecke Siziliens.
Das Boot war ein Zweimaster, achtzehn Meter lang und recht breit, so daß es ein wenig tief und schwer im Wasser lag. Es war eine Holzkonstruktion, vermutlich irgendwann in den vierziger Jahren gebaut, und würde unter den Kunststoffbooten der heutigen Zeit einen einigermaßen exzentrischen Eindruck machen. Am Heck wehte das Sternenbanner. Von jetzt an war er Al, Harpunen-Al, der sich einen Traum erfüllte, nämlich im Mittelmeer zu segeln und zu tauchen, nachdem er endlich diese Erbschaft von einem Onkel in San Diego angetreten hatte. Er hatte sich seit zwei Tagen nicht rasiert und beschloß, den Bart wachsen zu lassen.
Das Boot war langsam, dafür jedoch mit einem Dieselmotor ausgerüstet, und überdies hatte Åke Stålhandske für kleinere und schnellere Expeditionen ein Schlauchboot mit Außenborder gekauft. Früher oder später würde es wohl zu irgendeinem nächtlichen Landeunternehmen kommen. Und das wichtigste dürfte der Stauraum unter den Bodenbrettern sein, der sich früher oder später mit einer etwas tödlicheren Last füllen würde als jetzt, da noch die fröhlichen bunten Farben der Taucheranzüge, Preßluftflaschen und Harpunengewehre dominierten. Er hatte einen Preßluftkompressor gekauft, um
Weitere Kostenlose Bücher