Unternehmen Vendetta
sagen, und erklärte, er wolle sie erst sehen, fügte aber hinzu, im übrigen bitte er darum, heute nacht bei ihr wohnen zu dürfen, da er im Augenblick wohnungslos sei.
Am anderen Ende wurde es einige Augenblicke still, da ihr aufging, daß er damit entweder die gute oder die schlechte Nachricht schon zur Hälfte erklärt hatte.
Sie vereinbarten, sich in einer halben Stunde am Karlaplan zu treffen. Er vermied es, im Hotel Reisen anzurufen und einen Tisch zu bestellen. Zwar hätten sie in seinem Stammlokal selbst dann einen Tisch hingestellt, wenn alles voll besetzt war. Doch das Reisen lag in zu großer Nähe seiner Wohnung. Meiner ehemaligen Wohnung, korrigierte er sich.
Statt dessen rief er erneut Lallerstedt an, der irgendwie mit einem der führenden Gastronomen des Landes verwandt war, und fragte, welches Restaurant das beste Stockholms sei. Die Antwort kam prompt. Entweder Eriks in Gamla Stan - was Carls ehemaliger Wohnung noch näher lag als das Reisen - oder auch Paul & Norbert am Strandvägen.
Carl blätterte eine Zeitlang im Telefonbuch, um die Nummer zu finden, rief an und fragte, ob in einer guten halben Stunde ein Tisch für zwei Personen frei sei. Die Antwort war nein. Da nannte er laut und deutlich seinen Namen und erhielt die Antwort ja. Es werde sich schon irgendwie regeln lassen.
Als sie verspätet am Treffpunkt erschien, erklärte sie es damit, die Bahn aus Kista habe sich irgendwie verspätet, aber er lächelte nur fröhlich und sagte, er habe noch nie erlebt, daß sie rechtzeitig gekommen sei. Dann nahm er sie bei der Hand, küßte sie behutsam und zog sie den Narvavägen hinunter. Sie gingen in der Mitte der Allee unter den hellgrün belaubten Bäumen; der Frühsommer war spät gekommen, und vor dem Historischen Museum blühte immer noch der Flieder.
»Well«, sagte sie nach kurzem Schweigen, »falls du meine Neugier wecken wolltest, ist es dir gelungen. Was ist also die gute und was die schlechte Nachricht?«
»Können wir damit nicht bis zu Vorspeise und Wein warten, damit dir weder das eine noch das andere den Appetit verdirbt?« erwiderte er, nachdem er einige Meter stumm neben ihr her gegangen war. Dann drehte er sich zu ihr um, faßte sie um die Schultern, zog sie an sich und küßte sie. Sie leistete erst unbewußt Widerstand und schaffte es noch, etwas von all den Leuten zu sagen, die zusehen könnten. Er entgegnete, sie solle sich nicht um das Publikum kümmern.
Ihm wurde schwindlig, und als sie vorsichtig auseinanderglitten, lachte er fast hysterisch auf.
»Was ist denn so lustig?« fragte sie.
»Verstehst du, ich war gestern in Ridgecrest, oder richtiger gesagt vorgestern, und…«
»Du bist in Kalifornien gewesen? In den Zeitungen steht etwas von Palermo.«
»Ja, in Palermo bin ich auch gewesen, aber gestern und vorgestern war ich in Ridgecrest. Jedenfalls war dort ein junger Mann, gutaussehender Bursche, er würde dir gefallen. Er brachte mich dazu, mich irgendwie alt zu fühlen. Es war so etwas wie eine Vorahnung der midlife crisis, oder wie man das nennen soll. Und ich bekam den Einfall, daß ich am liebsten mit ihm tauschen würde, um wieder in jener Zeit zu landen, in der ich dir nicht von dem erzählte, was ich in Wahrheit tat, du weißt. Und das ist gerade erst passiert, vor ganz kurzer Zeit. Merkwürdiges Gefühl.«
Sie ging eine Zeitlang schweigend neben ihm her, betrachtete ihre Schuhspitzen und schien sich dann entschlossen zu haben, das Thema fallenzulassen, als spürte sie, daß es doch etwas mit der aufgeschobenen Frage der guten und der schlechten Nachricht zu tun hatte.
»Wie war es in Palermo?« fragte sie sachlich.
»Palermo ganz allgemein ist ein Höllenloch. Besonders dann, wenn der Mob einen meiner engsten Freunde erschießt.«
»Du bist dagewesen? In den Zeitungen heißt es, daß du dort warst.«
»Liest du jetzt schwedische Zeitungen?«
»Ja, einigermaßen. Ich kann ja die Kollegen im Büro bitten, das zu übersetzen und zu erklären, was ich nicht verstehe, aber als es um dich und diese Geschichte ging, konnte ich das ja nicht. Wie du weißt, kenne ich dich angeblich nicht.«
»Es wäre doch keinem aufgefallen, wenn du auf das neugierig gewesen wärst, was die größten Schlagzeilen macht? Ich bin jedenfalls dort gewesen und habe einen Meter von ihm entfernt gesessen. Es war nichts zu machen. Wir waren beide unbewaffnet.«
»Das tut mir leid, das tut mir wirklich schrecklich leid.«
»Es gibt bei euch im Englischen etwas, was sehr
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