Unternehmen Vendetta
praktisch ist, ihr könnt nämlich etwas sagen. In unserer Sprache gibt es keine Entsprechung dafür, wir werden einfach nur stumm wie die Fische und können nicht einmal diesen einfachen kleinen Satz sagen: Es tut mir leid.«
»Wie geht es dir? Macht es dir zu schaffen? Ich nehme an, es muß entsetzlich für dich sein.«
»Irgendwie geht es nie vorüber, doch auf eine andere Weise bin ich schon darüber hinweggekommen. Joe kannte die Gefahren. Er starb im Dienst.«
»Ist das wirklich ein Trost?«
»Nein, vielleicht nicht. Vielleicht ist es nur etwas, was man so dahinsagt, was man sich einredet. Aber es scheint irgendwie zu helfen.«
Die Unterhaltung erstarb, und sie gingen stumm zum Strandvägen hinunter und mischten sich unter die Sommerflaneure, die zum Djurgården unterwegs waren oder von dort kamen. Tessie konnte nicht umhin zu bemerken, welche Aufmerksamkeit Carl bei den Passanten erregte. Dennoch hielt er ihre Hand und schien von allen Seitenblicken völlig unbeirrt zu sein, als gingen sie hier ganz allein oder als befänden sie sich irgendwo weit weg in einsamer Geborgenheit wie auf einem der Strände vor San Diego.
Das Restaurant hatte einen kleinen Extratisch direkt an das Fenster zum Strandvägen gestellt. Carl scherzte, so dürfe man sich in Palermo nie hinsetzen. Dann beschloß er, sich fast demonstrativ mit dem Rücken zu dem großen Fenster und dem Eingang zu setzen und erklärte, so mache man das in Schweden. Die Dame müsse immer die beste Aussicht haben.
Sie überließ ihm die Bestellung, da die Speisekarte ihr schon nach einem schnellen Blick den klaren Eindruck vermittelte, daß dies weit eher sein Stil war als der ihre, und er bestellte schnell eins der angebotenen Menüs, mit weißem Burgunder zur Vorspeise und einem roten Bordeaux zum Hauptgang.
Er sprach ein wenig gezwungen über den Weißwein, als dieser kam, eine Flasche Meursault, und verhedderte sich in einem Vortrag über die Chardonnay-Traube und Kalifornien. Es sei eine der Traubensorten, mit denen man in Kalifornien Erfolg gehabt habe, obwohl bis zu dieser Qualität des Meursault noch einiges fehle. Tessie ließ sich bei diesem kalifornischfranzösischem Vergleich fast mitreißen. Doch dann ging ihr auf, daß er ein wenig zu mechanisch drauflosredete, als fürchtete er sich vor dem, was jetzt kommen mußte.
»Okay, Schlaumeier«, lachte sie, »ich gebe mich geschlagen. Ihr in Europa macht bessere Chardonnay-Weine als wir in Kalifornien. Und was ist jetzt mit der guten und der schlechten Nachricht?«
Ihm blieb der Schluck fast im Hals stecken. Er entschuldigte sich lächelnd, stellte sein Weinglas ab und betupfte sich mit der Serviette vorsichtig den Mund.
»Es sieht so aus«, sagte er. »Die gute Nachricht ist, daß ich mich von Eva-Britt getrennt habe, und die schlechte Nachricht ist, daß ich morgen auf eine Dienstreise gehe und nicht weiß, wann ich zurückkomme.«
»Du hast es am Ende also doch getan«, sagte sie nach einer langen, verblüfften Pause. »Teufel auch, du hast es getan.«
Sie warf den Kopf in den Nacken und lächelte, wie sie es immer tat, wenn sie nachdachte oder dabei war, etwas Ironisches zu sagen. In ihrem Lächeln glaubte Carl jedoch ein Zögern oder Verwunderung zu lesen.
»Einfach so. Du hast es am Ende doch getan«, fügte sie nach einiger Zeit hinzu, da er nichts sagte.
»Ja«, erwiderte er, »einfach so. Aber jetzt muß ich auf Reisen gehen. Ich weiß, daß das nicht gerade ein Timing ist, wie man es sich wünschen würde, aber ich muß.«
Sie wurden durch das Erscheinen einer weiteren Vorspeise unterbrochen, marinierter Taubenbrust auf einem Bett aus Rosé und Eichblattsalat.
»Wohin fährst du, und wie lange bleibst du weg?« fragte sie, als sie die Taubenbrüstchen schon halb bewältigt hatte.
Er überlegte kurz, während er weiterkaute.
»Es ist schon irgendwie komisch«, begann er, »aber ich war gerade dabei, mir dieses und jenes zurechtzulegen, wenn nicht gerade eine Lüge, so doch zumindest das, was Leute deines Schlages Verschweigen der Wahrheit nennen.«
»Was in juristischem Sinn der Lüge gleichgestellt werden kann, ja. Und?«
»Und genau das war zu Anfang unser eingebauter Grundfehler. Stell dir vor, wieviel einfacher in San Diego alles hätte werden können.«
»Wenn du gesagt hättest, wie es war? Daß du oben in Ridgecrest zu deiner militärischen Ausbildung warst, wenn du mehrere Tage pro Woche oder manchmal eine ganze Woche wegbliebst?«
»Ja. Das war es ja, was ich
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