Unternehmen Vendetta
Freie Aussicht nach allen Seiten. Nicht einmal jetzt, am Tag, hatten sich Besucher hierher verirrt, doch das lag vielleicht an der Hitze. Es mußten an die vierzig Grad im Schatten sein. Luigi war mit still dasitzenden Geckos und schnellen grünen Smaragdeidechsen allein, die ihm auswichen, als er langsam zur Mitte des Tempels ging. Auf einem kleinen Schild wurde die unklare Geschichte des Tempels angesprochen. Die Stadt, die es hier einmal gegeben hatte, wurde vor der Phönizierzeit erbaut. Vergil zufolge sollte der Tempel dem Trojaner Äneas gewidmet gewesen sein, aber darüber, so hieß es, könne heute nichts mehr mit Sicherheit gesagt werden.
Der Revolver scheuerte im Hosenbund. Luigi wünschte, er hätte eine Pistole mitgenommen.
Die Stadt habe, hieß es weiter, unter der Oberhoheit sowohl Karthagos als auch Athens gestanden. Aha.
Luigi setzte sich vorsichtig hin und lehnte sich mit dem Rükken gegen einen Säulensockel. Er sah zu dem blauen Himmel hoch und versuchte sich diesen Ort vor ein paar tausend Jahren vorzustellen, voller Menschen, voller Leben, Menschen, die sich das Jahr 1991 nicht in ihren wildesten Träumen hatten vorstellen können. Wie viele Mörder hatten hier schon gesessen, um den Versuch zu machen, mit sich ins reine zu kommen?
Er scheute vor dem Wort zurück. Es kam ihm vor, als hätte es ihn aus dem Unbewußten überfallen. Er wollte kein Mörder sein. Das hatte er sich nicht vorgestellt.
7
Es fiel Carl nicht schwer, seine Irritation zu zeigen. Oberst Nils Gustaf Sandgren hatte beim Hotelempfang nicht gerade ein diskretes Entrée gehabt. Er hatte sich sogar als Oberst vorgestellt und erklärt, er sei Schwede und wünsche in einer dienstlichen Angelegenheit Fregattenkapitän Hamilton zu sprechen.
Es war also nicht der Bericht, der ein Problem darstellte, im Gegenteil, das war in einer Viertelstunde erledigt gewesen. Sie saßen in der Bar und waren allein bis auf die paar uniformierten Wachen, die Carl zu sich gerufen hatte. Er wollte nicht erklären, warum ein Treffen oben im Hotelzimmer unpassend sei.
Doch jetzt, als der formelle Teil ihrer Begegnung erledigt war, bestellte sein Vorgesetzter, was der Oberst ja nicht nur kraft seines Dienstgrads war, sondern auch in seiner Eigenschaft als Abgesandter Samuel Ulfssons, eine neue Runde Bier und rieb sich die Hände vor froher Erwartung, als er fragte, welche Möglichkeiten für den Abend zu Gebote stünden.
Carl mißverstand die Frage zunächst und spielte fast den Dummen und den Unwissenden, als er zu erwidern versuchte, er sehe keine besonderen Möglichkeiten. Aber dann ging ihm auf, daß sein offenbar besonders dämlicher Landsmann tatsächlich einen Restaurantbesuch plante und, wie er selbst erklärte, etwas Remmidemmi wolle.
Carl starrte mißtrauisch in sein Bierglas, bevor er einen vorsichtigen Schluck nahm und sich entschloß, alle Höflichkeit fahrenzulassen.
»Was Sie betrifft, Oberst Sandgren, wird es leider weder Remmidemmi noch einen Restaurantbesuch geben«, begann er mit zusammengebissenen Zähnen.
»Ach, was soll diese Förmlichkeit, nenn mich Nils Gustaf, das tut jeder, aber ich hab den ganzen Tag noch nichts gegessen«, erwiderte der andere fröhlich und unbekümmert. Carl mußte erneut die Zähne zusammenbeißen, um von vorn anfangen zu können.
»Als operativer Chef hier unten werde ich Ihnen jetzt einen direkten Befehl geben, Oberst«, begann er unnötig hart. »Sie werden jetzt gleich zum Flugplatz zurückkehren und mit der ersten besten Maschine abfliegen. Den Transport zum Flughafen werden hoffentlich unsere Gastgeber besorgen. Es wird einen gepanzerten Wagen und zwei Begleitfahrzeuge geben, in denen Schutzpersonal mit Automatikwaffen sitzt. Wenn Sie auch nur einen Fuß vor das Hotel setzen, laufen Sie nämlich Gefahr, vom Feind sofort liquidiert zu werden. Wir werden hier unten keine weiteren schwedischen Verluste erleiden. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?«
Der andere starrte ihn zunächst ungläubig an, als wäre das Ganze eine Art Scherz gewesen. Carls Blick erlaubte jedoch nicht im mindesten eine solche Deutung.
»Lassen Sie mich erklären«, fuhr Carl in etwas gedämpfterem Ton fort. »Sie haben sich hier mit Ihrem militärischen Rang angemeldet und mich gesucht. Folglich sind Sie, ob mit Recht oder Unrecht, als einer meiner Mitarbeiter identifiziert. Sie sind also ein Teil der schwedischen Streitmacht. Folglich sind Sie seit kurzer Zeit eine lebende Zielscheibe, wenn auch im Gegensatz zu uns
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