Unternehmen Vendetta
immer alles perfekt zu sein. Von der Straße verlief eine zur Hälfte eingestürzte Steinmauer zur Villa, aber sie war so niedrig, daß er trotzdem freies Blickfeld hatte. Oben an der Villa stand ein schwarzer Lancia.
Carl bog auf den holperigen Weg zur Villa ein und hielt gut hundert Meter vor dem Haus, blinkte mit den Scheinwerfern und stieg aus. Er hatte diesen Parkplatz aus einem einfachen Grund gewählt: Dort stand neben der Mauer eine Bank, und wenn man sich darauf setzte, war man gegen gezieltes Feuer aus jedem denkbaren Schußwinkel von der Villa her geschützt. Carl stieg schnell aus und setzte sich.
Don Tommaso kam nach einigen Minuten näher. Er schien es nicht eilig zu haben.
Er hatte einen weiten weißen Leinenanzug an, der wie Segeltuch an seinem massigen Körper saß, trug einen Stock und einen breitkrempigen weißen Hut zum Schutz vor der Sonne. Auf halbem Weg zu Carl blieb er stehen, zog ein großes weißes Taschentuch hervor und wischte sich das Gesicht; das konnte ebensogut ein Signal sein wie Ausdruck des einfachen Wunsches, nicht völlig verschwitzt bei Carl anzukommen.
Nebenan weideten einige Schafe, und da fiel Carl eine Passage aus der Odyssee ein, in der Schafe als Schutz vor dem Feind dienen. Als Don Tommaso näherkam, hielt Carl seine Pistole hoch und zeigte sie wie einen Ausweis. Dann steckte er sie wieder ins Schulterholster. Don Tommaso nickte kurz zum Zeichen, daß er gesehen und verstanden hatte.
»Entschuldigen Sie, daß ich nicht aufstehe, Don Tommaso, aber ich möchte jetzt ungern den Kopf hochhalten«, begrüßte ihn Carl, als der große, keuchende, massige Mann in Hörweite kam. Don Tommaso wartete mit der Antwort, bis er angekommen war und sich schwer neben Carl auf die Steinbank gesetzt hatte.
»Sie sind ein sehr mutiger Mann, Comandante, und scheinen außerdem nichts gegen die Hitze zu haben«, begann Don Tommaso und wischte sich erneut mit dem Taschentuch das Gesicht.
Carl suchte ihn verstohlen nach versteckten Waffen ab. Es gab jedoch mehr Möglichkeiten, als er auf einigermaßen höfliche Weise würde prüfen können, und so beschloß er, darauf zu verzichten, sich dafür aber außer Reichweite zu halten.
»Hitze und Dunkelheit sind ein Schutz, wenn man besser damit fertig wird als der Feind«, entgegnete Carl trocken. Er zog die kleine Heiligenfigur aus der Jackentasche und überreichte sie. »Als Zeichen meines guten Willens«, erklärte er.
Don Tommaso nahm die kleine Figur entgegen, als wäre sie brüchig, betrachtete sie nachdenklich und streichelte sie, bevor er sie vorsichtig neben sich auf die Bank stellte, als wollte er ihr um keinen Preis mangelnde Ehrerbietung erweisen.
»Sie ist meine Schutzheilige. Ohne sie wäre ich verdammt, verloren und bald tot«, erklärte Don Tommaso mit einem schiefen Lächeln, das mehrere Deutungen zuließ. »Ich weiß Ihre Geste wirklich zu schätzen, Comandante. Auch sie zeigt, daß Sie ein richtiger Mann sind. Haben Sie sie selbst an sich genommen?«
»Ja«, erwiderte Carl leise, als hätte er sich Don Tommasos Heiligenanbetung angeschlossen. »Ich habe heute nacht an Ihrem Bett gestanden.«
Don Tommaso nickte nachdenklich, nahm die Figur in die Hand und streichelte sie, als wollte er damit die Bedeutung ihrer Rückkehr noch mehr unterstreichen.
»Verzeihen Sie, falls ich Ihnen pedantisch vorkomme, Comandante, aber ich möchte zunächst gern auf ein paar Formalien eingehen.«
»Natürlich, gern, Don Tommaso«, erwiderte Carl verbindlich.
»Wie Sie verstehen, habe ich Grund gehabt, dieses Treffen mit einigen mir nahestehenden Personen zu besprechen. Die haben keine große Begeisterung an den Tag gelegt. Man hat mich gewarnt, nicht nur vor Ihrer Gefährlichkeit, Comandante, sondern auch vor bestimmten technischen Geräten, Mikrophonen und derlei. Ich glaube zwar nicht, daß Sie die Polizei in unsere Auseinandersetzung hereinziehen wollen, aber wissen kann man so etwas ja nie. Wie lösen wir das Problem? Denn Sie wollen sicher nicht, daß wir uns beide nackt ausziehen?«
»Nein, das würde ich höchst unpassend finden«, sagte Carl mit einem feinen Lächeln und mehr aus Bewunderung vor Don Tommasos gefaßter Geistesverfassung als vor seiner Ironie und komischen Untertreibung des Problems. »Wenn ich aber sofort ein paar Verbrechen eingestehe, könnten wir das Risiko heimlich lauschender Polizisten ausschließen, geben Sie mir da recht?«
»Es kommt drauf an, was für Verbrechen«, schnaufte Don Tommaso und wischte sich
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