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Unternehmen Vendetta

Unternehmen Vendetta

Titel: Unternehmen Vendetta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Kalabrien und nicht auf Sizilien, betonten sie.
    Er hatte ihnen klarzumachen versucht, daß das ohne jede Bedeutung war, denn jeder wisse, daß die verschiedenen Gangsterorganisationen zusammenarbeiteten.
    Vielleicht waren die anderen jedoch schon zu lange gefangen gewesen, um noch Hoffnung zu haben. Einer dieser Bofors-Leute hatte überdies eine pochende häßliche Entzündung im Stumpf seines Zeigefingers. Er fürchtete sich vor Brand.
    Nils Gustaf Sandgren war es also gelungen zu fliehen. Zumindest glaubte er selbst bis zuletzt, daß es ihm gelungen war. Sein Eisenbett war ziemlich klapprig gewesen, und das Bein, das man im Steinfußboden der Höhle festgemauert und mit seiner Fußkette verbunden hatte, hatte er beim ersten Versuch losreißen können. Nach einigem gutem Zureden war es ihm gelungen, den Mann der Firma Ericsson dazu zu bringen, ihm dabei zu helfen.
    Danach hatte das Problem für ihn nicht darin bestanden, sich an den Wachen vorbeizuschleichen, denn die saßen ein Stück tiefer am Berghang in einer Hütte, sondern darin, noch vor dem Morgengrauen Hilfe zu holen. Die anderen wußten in etwa, aus welcher Himmelsrichtung sie gekommen waren, und wenn man in der Nacht lauschte, konnte man in der Ferne Verkehr hören.
    Wenn er es nur schaffte, zu einer öffentlichen Straße zu kommen, würde es vielleicht gelingen, hatte er geglaubt.
    Nachdem er mehrere Stunden in den Bergen umhergeirrt war, erreichte er tatsächlich eine Straße. Und tatsächlich hatte er ein paar Bauern in einem klapprigen Lastwagen getroffen, denen er ohne Schwierigkeit seine Lage erklären konnte. Die beiden Bauern hatten verständnisvoll genickt. Außerdem war noch reichlich Zeit bis zum Morgengrauen gewesen, und es hatte den Anschein gehabt, als würde alles gutgehen.
    Der Bauer am Lenkrad hatte gewendet und erklärt, er wolle eine Abkürzung zum nächsten Dorf nehmen, wo es einen Posten der Carabinieri gebe. In Wahrheit waren sie jedoch in ihr eigenes Dorf gefahren, wo sie ihn in eine Scheune eingesperrt und mißhandelt hatten. Dann hatten sie den Gangsterboß der Gegend angerufen, der ihn abholen ließ, um ihn erneut verprügeln zu lassen.
    Dieses Ende eines ebenso sinnlosen wie heroischen Versuchs war eine düstere Erfahrung. Von den zahlreichen Geiseln Kalabriens hatte keiner von der lokalen Bevölkerung auch nur das geringste Verständnis zu erwarten, denn das Geschäft Geiseln gegen Geld war hier eine Industrie. Geiseln mußten bei Fluchtversuchen eher mit Entrüstung rechnen, weil sie die Geschäfte der Gegend durcheinanderbrachten.
    Nur eins ließ Nils Gustaf Sandgren hoffen: Die Tatsache, daß sie ihn nicht getötet hatten, daß er lebend immer noch mehr wert zu sein schien als tot. Obwohl auch das nicht zweifelsfrei feststand.
    Die Industriebosse erzählten, sie hätten wenigstens die Möglichkeit, Geld für ihre Freilassung zu erhalten. Einer von ihnen hatte sogar eine Art Versicherung gegen Entführung abgeschlossen, und er behauptete, wenn man in Italien arbeiten wolle, sei das fast selbstverständlich.
    Daß das private Unternehmertum für ihre Direktoren zahlen konnte, war eine Sache. Eine völlig andere, wie sich der Generalstab zu solchen Ansinnen stellen würde.
    Als die Gangsterbande erschien, um sie abzuholen, bestand das erste gute Zeichen darin, daß alle Gesichtsmasken trugen. Wären sie gekommen, um die Geiseln zu töten, wäre das nicht nötig gewesen.
    Aber sicher konnte man auch da nicht sein. Vielleicht war es nur ein Trick, und sie hatten vor, ihre Geiseln zur Hinrichtung abzutransportieren. Möglicherweise wollten sie während des Transports so wenig Gejammer und Gezeter wie möglich.
    Gefangene, die sich auf dem Weg in die Freiheit wähnen, verhalten sich ruhig und gehorsam.
    Die Fahrt dauerte jetzt jedoch schon auffallend lange. Und nach den Geräuschen draußen zu urteilen, hohl dröhnendem, metallischem Rasseln und einigem anderen, waren sie jetzt an Bord einer Autofähre gefahren. Es hätte zunächst auch eine größere Garage oder Halle sein können, doch nach einiger Zeit war der Seegang deutlich zu spüren.
    Eine Fähre von Kalabrien nach Sizilien. Eine andere Möglichkeit war kaum denkbar.
    Nils Gustaf Sandgren verfluchte seinen Knebel. Er hätte seine optimistischen Theorien gern mit den anderen besprochen, die in so furchtbar schlechter körperlicher und seelischer Verfassung zu sein schienen. Es mußte schlimm sein, Stunde um Stunde inmitten von Knollenfrüchten zu liegen und zu glauben, es

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