Unternehmen Vendetta
vorstellen.«
Der Oberst erhob sich. Er hatte ein Papier in der Hand, das er zur Kontrolle noch einmal durchzulesen schien. Dann richtete er sich zu voller Größe auf und drehte mit den Händen auf dem Rücken zwei Runden durch das Zimmer. Das schien eine sehr bewußte Theaternummer zu sein, und Carl und Joar spielten das höfliche Publikum, ohne etwas zu sagen.
»Aber es muß doch schon recht lange klar gewesen sein, daß der Irak einen eventuellen Kaufvertrag gar nicht hätte erfüllen können«, stellte der Oberst fest und blieb gleichzeitig vor einem der großen Fenster stehen. Er hatte die Hände in die Seiten gestemmt und wandte den Rücken dem Fenster zu, als wollte er das Schicksal herausfordern oder das Schutzvermögen des Panzerglases testen oder zumindest seine Gäste schokkieren, denen seine exponierte Position nicht entgangen war.
»Nun ja, zu dem Schluß sind wir zwar auch gekommen… Verzeihung, Herr Oberst, aber müssen Sie wirklich da stehen?«, sagte Carl, dem im selben Moment aufging, daß er die erstrebte Pointe geradezu herausgefordert hatte.
»Ich möchte lieber hier erschossen werden als in der Wohnung meiner Geliebten. Das ist nämlich ein Schicksal, das meinem seligen Vorgänger widerfahren ist«, grinste der Oberst fröhlich. »Sie wollten gerade sagen…?«
»Hm, also«, fuhr Carl fort. »Das ist natürlich auch unsere Schlußfolgerung. Es gibt in Bagdad aus bekannten Gründen keine Käufer. Wir haben uns also gedacht, daß hier jemand improvisiert hat, um statt mit schwedischen Waffen ein etwas kleineres Geschäft mit schwedischen Wirtschaftsbossen zu machen.«
»Ich weiß nicht, ob ich das glauben kann«, entgegnete der Oberst, wanderte mit energischen Schritten zu seinem Arbeitsplatz zurück und legte die Handfläche ein Stück südlich von Palermo auf die Sizilienkarte. »Das hier«, sagte er und machte mit der Hand eine Kreisbewegung, »ist der Bezirk der Corleonesen. Sie sind unsere stärkste Familie. Das Zentrum ist also das kleine Dorf Corleone. Wer weiß, vielleicht werden Sie es früher besuchen müssen, als Sie ahnen. Das hier ist Palermo. Hier haben wir gegenwärtig zwölf Familien, aber von denen würden nur drei oben in Rom oder Mailand Geschäfte dieser Größenordnung tätigen. Und hier hinten an der Küste haben Sie Castellammare, und dort sitzt ein vor kurzem zugezogenes dark horse aus New York. Jede Familie, von der wir jetzt sprechen, ist für einen Jahresumsatz in der Größenordnung von einhundert Milliarden Lire gut. Was sagt uns das? Was sagen Sie, junger Mann? Hauptmann Lundewallo, war es nicht so?«
»Die Schlußfolgerung ist besorgniserregend offenkundig«, erwiderte Joar blitzschnell, als hätte es ihn nicht im mindesten überrascht, plötzlich angesprochen zu werden. »Warum sollte ein Mafia-Clan seine Geschäfte mit einer kleinen, dazu noch aufsehenerregenden Entführung durcheinanderbringen, die ja kaum mehr einbringen kann als ein paar Milliarden Lire?«
Das Gesicht des Obersten hellte sich auf. Er ging ein paar lange Schritte auf Joar zu, beugte sich über ihn und musterte ihn von Kopf bis Fuß. Dann wandte er sich zu Carl um.
»Ein begabter junger Mann, den Sie da mitgebracht haben, Comandante«, lachte er. »Wirklich begabt. Na ja. Was ich noch sagen möchte, ist folgendes: Dieser zweite Teil unserer Abmachung, also das nachrichtendienstliche Moment, kurz gesagt die Frage, was zum Teufel eigentlich im Busch ist, ist keineswegs nur ein symbolischer Bestandteil unserer Übereinkunft. Wir wollen wirklich wissen, was da los ist. Wir sind wirklich neugierig und wünschen Ihnen aufrichtig Glück bei Ihrer Erkundungsarbeit. Wie sieht es dann mit unserem taktischen Problem aus?«
Der Oberst ließ die rhetorische Frage eine Weile in der Luft hängen, bis er mit ein paar weiten Schritten wieder die Todesposition vor dem Fenster einnahm. Er stellte sich genauso hin wie kurz zuvor und zeigte auf Joar. »Capitano, worin besteht unser alles überschattendes taktisches Problem?«
»Wie wir Kontakt halten sollen. Kommunikation. Überwachung«, erwiderte Joar. Seine Äußerung löste die gleiche entzückte Reaktion aus wie beim ersten Mal. Der Oberst war mit ein paar Sätzen wieder an seinem Ledersessel am Schreibtisch. Er sank darauf nieder und streckte die Beine aus, bevor er sich plötzlich Carl zuwandte.
»Begabt, ein sehr begabter junger Mann ist das. Was meinen Sie selbst zu dem Problem, Comandante?«
»Daß Sie uns nicht überwachen lassen sollten, da
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