Unternehmen Vendetta
haben es mit einem Stück italienischer Literatur zu tun, meine Herren. Sagen Sie, war es nicht höchste Zeit, endlich etwas zu essen zu bekommen? Sie haben da oben am Nordpol natürlich etwas andere Eßgewohnheiten. Ich hoffe, Sie hatten nicht schon gegessen, bevor Sie herkamen. Also, wo waren wir stehengeblieben? Also!«
Er hob einen Zeigefinger und deklamierte, als wäre es ein Stück Poesie.
»Ein mir unbekannter General, wenn auch sicher ein sehr distinguierter General, und zur Sicherheit auch noch der Verteidigungsminister des Landes haben eben den folgenden Text zustande gebracht: ›Comandante Carl Graf Hamilton samt Mitarbeiter besitzen das Recht, zu persönlichem Schutz sowie in sonstigen Zusammenhängen, bei denen Waffengebrauch sich mit zwingender Notwendigkeit ergibt und nach den Gesetzen unseres Landes erlaubt ist, die Waffen zu tragen, die für die genannten Zusammenhänge als erforderlich angesehen werden können.‹ Na ja, und dann unterzeichnet, und so weiter. Wollen Sie eine Übersetzung dieses Texts, meine Herren Offiziere?«
Der Oberst sah sich triumphierend um, und seine schwedischen Gäste konnten nichts anderes tun, als zwischen den Bissen mit dem Kopf zu nicken.
»Wie auch immer«, fuhr der Oberst munter fort, während er das Dokument mit einer eleganten Geste der einen Hand zusammenfaltete und Carl überreichte, »in direktere Sprache übersetzt heißt das etwa, daß diese Spione, da sie unter staatlichem Schutz stehen, das Recht haben, sich nach Gutdünken zu bewaffnen und zu erschießen, wen sie wollen, vorausgesetzt, sie erschießen nur Mafiosi. Hehe. Sie müssen da oben im Palazzo sehr beliebt sein, Herr Comandante. Graf steht da auch, stimmt das, haben wir also die Ehre…?«
»Ja, es stimmt«, murmelte Carl verlegen. »Man kann in der Wahl seiner Eltern nicht vorsichtig genug sein. Falls ein operatives Stadium eintritt, nehme ich an, daß wir entweder Material zum Flughafen einfliegen lassen und Ihre Hilfe beim Zoll in Anspruch nehmen, aber vielleicht können wir ja auch ein paar Sachen von Ihnen leihen?«
»Wie Sie wollen. Ein Telefon kann ich Ihnen liefern, dazu die gegenwärtig geltenden Nummern, unter denen Sie mich erreichen können, im Büro, in der Wohnung sowie, wie soll ich sagen, meiner Zweitwohnung, damit Sie mich zu jeder Tages und Nachtzeit erreichen können. Meine Herren! Ich möchte vorschlagen, daß wir zu anderen Dingen übergehen und unseren düsteren Job ein wenig vergessen. Lassen Sie uns beispielsweise über die Probleme der Demokratie aus sizilianischer Sicht sprechen!«
Wie sich zeigte, waren die Probleme der Demokratie aus sizilianischer Sicht ein für schwedische Erfahrungen höchst exotisches Gesprächsthema. Einerseits, so der Oberst, könne die Demokratie das organisierte Verbrechen nicht tolerieren, das die Autorität und die Kontrolle des Staates auf jedem Gebiet mit Ausnahme der Streitkräfte bedrohe. Andererseits müsse die Demokratie in ihrem Kampf gegen dieses organisierte Verbrechen die Überlegenheit des eigenen Systems zeigen. Der Oberst fuhr fort: »Mit Figuren wie Saddam Hussein und anderen in der Dritten Welt wäre das Problem etwa das gleiche. Kann man sie zur Demokratie bomben? Wäre die überlebende irakische Bevölkerung heute dann eher geneigt, die Überlegenheit der westlichen Regierungsform anzukennen?
Natürlich nicht. Wenn man das Ziel jedoch nur als Macht formuliert, Macht für das westliche System, und zwar in dem Sinn militärischer und ökonomischer Oberhoheit, dann ist Ausrottungsbombardement natürlich ein effektives Machtinstrument, nicht wahr?«
Die schwedischen Gäste nickten zustimmend, ebensosehr aus Verblüffung wie aus Höflichkeit, während die Reste der Hors d’œuvres, die von einer ganzen schwedischen Mahlzeit hätten stammen können, hinausgetragen wurden. Anschließend wurden das erste Spaghettigericht und Rotweinkaraffen gebracht. Carl fühlte sich sehr amüsiert. Entweder war ihr Gastgeber Leninist, ohne es zu wissen, oder aber ein ausgewachsener Zyniker.
»Wie auch immer«, fuhr der Oberst fort, der im Unterschied zu seinen Gästen Spaghetti in rasendem Tempo essen konnte, während er gleichzeitig sprach, »der Mann, der mit der wohl größten Effektivität die Mafia bekämpft hat, war Benito Mussolini. In intellektueller Hinsicht war seine Methode nicht sehr verfeinert. Man könnte in Kürze sagen, daß sie darauf hinauslief, in einem ersten Schritt große Militärverbände nach Sizilien zu verlegen und
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