Unternehmen Vendetta
befürchtet standen statt dessen jetzt ein paar große Schüsseln mit dampfenden Spaghetti auf dem Tisch. Don Tommaso servierte persönlich und reichte ihnen die Teller. Es konnte keine Rede davon sein, um wenig oder nicht allzuviel zu bitten; Carl und Joar fühlten sich plötzlich wie Kinder. Und Don Tommaso fühlte sich ganz selbstverständlich als der, der er war.
»Sie haben nicht auf meine Frage geantwortet, warum Sie nach Hause gekommen sind, oder sollte ich Sie lieber fragen, warum Sie Sizilien verlassen haben, Don Tommaso?« sagte Carl und starrte feindselig den Haufen dampfender Spaghetti an, die er auf seiner Gabel aufzuwickeln versuchte. Im Augenblick wären ihm kühle Regenwürmer, gern sogar lebende, appetitlicher erschienen. Er drückte desperat eine Ladung in den Mund, schlang sie in sich hinein und verbrannte sich dabei den Mund.
»Tja«, sagte Don Tommaso nachdenklich und wickelte sich mit einer Hand wie selbstverständlich eine Ladung Spaghetti auf, während er sich mit der zweiten Hand das Taschentuch an den Nacken setzte, »das ist eine lange Geschichte. Sie hat jedoch eine gewisse Moral, und ich will sie kurz machen. Es ist mir gut ergangen, und…«
Er verstummte einige Augenblicke lang, während er sich die Spaghettiladung in das große Gesicht warf und den Eindruck machte, als hätte er sofort alles verschlungen, da er sofort wieder weitersprach.
»… und uns in der Familie ging es auch recht gut. Das änderte sich natürlich alles nach 1957, als alle sich auf Scheiße stürzen wollten. Ich bin immer gegen Scheiße gewesen. Ich gehe davon aus, daß Sie es auch sind, Comandante?«
»Sie meinen Drogen, Heroin? Ja, das bin ich.«
»Dieses Zeug ist nicht gut. Es ist definitiv nicht gut. Ich meine damit nicht nur die Tatsache, daß eine Menge unschuldiger junger Leute ihr Leben zerstören, auch wenn Sie glauben sollten, daß ich mir deswegen keine Sorgen mache. Eines schönen Tages geht es um die eigenen Kinder oder Enkel wie Giulietta hier. Sie liebe ich am meisten. Verstehen Sie, was ich sage?«
»Sehr gut. Sie lieben Giulietta und sind ein Gegner von Drogen.«
»Soso, jetzt versuchen Sie schon wieder den harten Mann zu spielen. Was ich meine, ist folgendes: Dieses Zeug ist auch für uns nicht gut. Es bekommt Sizilien nicht und auch nicht unseren Familien. Fast alle in meiner Familie sind tot, Comandante, von diesen verfluchten Corleonesen hingeschlachtet. Es war Krieg, und dabei ging es nur um die Macht über die Drogen. Um ein Haar wären wir alle untergegangen. Fast meine ganze Familie ist dabei gestorben.«
»Sie sind also nach New York gegangen?«
»Ja. Gott hat mir beigestanden. Es ist mir dort gut ergangen, und ich hatte einige Freunde.«
»Und jetzt sind Sie wieder hier, um was zu tun?«
»Noch etwas Spaghetti? Aha, lieber nicht. Nun ja, es kommen später noch andere Sachen. Ja, ich bin wieder hier, um ein wenig Ordnung in alles zu bringen. Mit Drogen soll das aber nichts zu tun haben, dieses Zeug zerstört nur. Außerdem kann man wohl in aller Ehrlichkeit sagen, daß es bestimmte amerikanische Behörden unnötig aufregt, die auf keinen Fall so gereizt werden sollten, was zumindest die Corleonesen geschafft haben.«
»Sie wollten sich statt dessen also lieber auf Entführungen verlegen, um unschuldige junge Menschenleben zu schützen?«
»Aber, aber, lieber Comandante, bitte, Comandante. Ich habe Sie doch höflich gebeten, nicht mehr mit Zynismen um sich zu werfen. Natürlich haben wir nicht vor, unser Geschäft zu etwas so Primitivem zu diversifizieren. Was mich endlich zum Thema bringt, unseren Geschäften.«
Carl ließ sich nicht überrumpeln. Don Tommaso hatte blitzschnell seine Haltung geändert, den Teller von sich geschoben und sich den Mund abgewischt, alles mit fast einer einzigen Bewegung.
»Wir hören«, sagte Carl, schob ebenfalls seinen Teller weg und betupfte sich den Mund. »Wieviel wollen Sie haben? Sollen wir damit beginnen?«
»Sie scheinen nicht das geringste von dem zu verstehen, was ich gesagt habe, Comandante. Wir wollen Ihre armen Landsleute nicht verkaufen. Ja, ich kann Ihnen versichern, daß es ihnen den Umständen entsprechend recht gut geht. Wir wollen sie wie gesagt nicht verkaufen, wir wollen diese Dinger haben. Das ist alles.«
Carl schwieg eine Weile. In der Haltung des riesigen Gangsterbosses lag etwas grundlegend Überzeugendes. Plötzlich wurde über die Sache gesprochen, doch der Ausgangspunkt verhieß nichts Gutes. Der Mann meinte,
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