Unternehmen Vendetta
die mir als sehr bemerkenswert aufgefallen ist. Aber wir sind jetzt auf Sizilien. Sie betrachten den Feind, als wäre er einer von uns, als würde Sie mich bekämpfen. Sie verstehen mich, so wie ich Sie verstehe. Wir haben in diesem Leben die gleichen Kurse besucht. Aber der Feind ist nicht logisch, nicht so vorhersehbar, wie Sie es sich vorzustellen scheinen. Verstehen Sie, was ich meine?«
Die Frage des Obersten hing eine Zeitlang in der Luft und verstärkte Carls Gefühl von dejà vu , das Gefühl, zum wiederholten Mal einen Alptraum zu erleben. Möglicherweise schien ihn dieses Erlebnis etwas mitgenommen zu haben, denn der Oberst fuhr ein wenig begütigend fort, bevor Carl hatte antworten können.
»Nun ja, jetzt wollen wir uns die von Ihnen vorgeschlagenen Instrumente einmal näher ansehen. Wer entscheidet über den Zeitpunkt, zu dem wir uns zum ersten Mal an die Öffentlichkeit wenden? Sie? Die schwedische Regierung? Die italienische Regierung? Oder die schwedische Waffenfirma?«
»Das ist unklar. Hingegen ist es sehr leicht, Tatsachen zu schaffen, ohne daß einer dieser Entscheidungsträger darin verwickelt sein muß.«
»Ein gefährliches Spiel für einen einfachen Obersten oder einen Offizier des Nachrichtendienstes. Politiker pflegen so etwas selbst entscheiden zu wollen. Wenn wir uns dann der Frage des verstärkten Schutzes bestimmter schwedischer Staatsbürger zuwenden: Haben Sie mit der Heimatbasis Verbindung aufgenommen und eine solche Forderung vorgebracht?«
»Nein.«
»Aus welchem Grund nicht?«
»Das hängt mit unserem Auftrag hier zusammen. Wir sind zwar hier, zugleich aber doch nicht hier, falls Sie verstehen. Wenn wir nach Hause berichten und dieser Bericht zur Entscheidungsgrundlage wird, sind wir für die spätere Geschichtsschreibung offiziell hier. Wenn dann etwas schiefgeht, müssen unnötig viele Köpfe rollen, vermutlich unsere oder die unserer Vorgesetzten statt die der Politiker. Hört sich das etwa zu byzantinisch an?«
»Mein lieber Comandante, Sie sind in Italien! Nein, ich verstehe voll und ganz. Sie wollen also, daß ich diese Bewachungsfrage regele, daß wir Italiener die Initiative ergreifen?«
»Sehr gern. Sie können es auch an die Presse durchsickern lassen…«
Carls feines Lächeln provozierte Da Piemonte zu einem brüllenden Lachen.
Carl betrachtete seinen italienischen Kollegen. Dünnes, schwarzes, nach hinten gekämmtes Haar. Der Mann war hochgewachsen und unbegreiflich schlank, sah durchtrainiert aus. Das ließ sich auf keine vorstellbare Weise mit den Eßgewohnheiten in Einklang bringen. Blieben Spaghetti bei Italienern ohne jede Wirkung?
»Lassen Sie uns eine Weile über unwichtigere Dinge reden. Das würde mir gefallen, und außerdem ergibt sich vielleicht etwas Kluges daraus«, fuhr Da Piemonte fort, nachdem er seine Überredungsversuche bezüglich des Desserts aufgegeben hatte.
»Was geschah in der Villa dieses Don Tommaso? Ich meine, abgesehen von dem, was Sie mir über seine Absichten nicht verraten wollen? Also die Kleinigkeiten?«
»Nun ja«, begann Carl zögernd, da er sich der Gefahr ausgesetzt sah, eine Taktlosigkeit zu begehen, »wir erhielten zunächst eine sehr reichliche sizilianische Mahlzeit… und, na ja. Er wollte nicht über Lösegeld verhandeln, wie Sie schon vorausgesetzt hatten, Sir. Er ging dazu über, uns zu bedrohen, und verstärkte später diese Drohungen noch. Da haben wir sein Personal entwaffnet und das Haus unter wechselseitigen Ehrenbezeigungen und einer Versicherung verlassen, wir würden nach einigem Nachdenken erneut Kontakt aufnehmen.«
Carl kämpfte ein Lächeln nieder. Sein Bericht war absichtlich ein wenig stoisch.
In Da Piemontes Gesicht blitzten Interesse und ein unterdrücktes Lachen auf, als er sich eine neue Zigarette anzündete und sich zurücklehnte, als erwartete er, jetzt gut unterhalten zu werden.
»Ihr Nordlandbewohner seid phantastisch. Sind es die isländischen Sagen, die euch so gemacht haben, oder etwas anderes?«
»Ich habe gar nicht gewußt, daß Sie unsere isländischen Sagen kennen.«
»Man kann nicht dauernd Mafiosi erschießen. Die Seele muß auch mal zu ihrem Recht kommen. Haben Sie also persönlich die Leibwächter Don Tommasos niedergeschlagen und ihnen ihre Waffen abgenommen?«
»Nein. Ich habe nur den Befehl gegeben. Joar hier hat den Befehl ausgeführt.«
Joar, der sich inzwischen daran gewöhnt hatte, daß man ihn als Subalternen betrachtete, an den man nicht das Wort richtete,
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