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Unternehmen Vendetta

Unternehmen Vendetta

Titel: Unternehmen Vendetta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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brauchten. Oberst Da Piemonte erweckte den Eindruck, als müßte er sich erst sammeln, um fortfahren zu können.
    »Giulio ist Don Tommasos ältester Sohn«, begann er mit sichtlicher Anstrengung. »Giulietta ist seine Enkelin, die Tochter seiner Tochter, und, wie heißt das noch, sein…?«
    »Augapfel«, ergänzte Carl.
    »Genau das, sein Augapfel. Herr Giulio ist also der Onkel der Kleinen. Don Tommaso hat einmal miterlebt, wie seine Familie gedemütigt und ausgelöscht wurde, und Sie dürfen sicher sein, daß er bei der Gelegenheit einige sizilianische Eide geschworen hat. Und Giulio ist, wie gesagt, sein ältester Sohn.«
    Da Piemontes abruptes Ende der Darlegung erweckte den Eindruck, als hielte er damit alles für erklärt. Sein Mienenspiel und seine Körpersprache hatten den beiden Schweden gewiß deutlich gemacht, daß die Lage ernst war, doch sie waren mit seiner Interpretation alles andere als einverstanden.
    »Die Maschinenpistole, die wir mitgenommen haben, stammte aus dem Besitz Giulios. Es wäre ja interessant festzustellen, ob sie bei irgendeinem Verbrechen verwendet worden ist. Dann hätten wir ein Tauschobjekt«, schlug Carl vor - ein verzweifelter Versuch, sizilianisch zu denken.
    Oberst Da Piemonte lächelte matt, als hätte ein Kind eine kluge Verrücktheit geäußert.
    »Und wie sollen wir beweisen können, daß die Maschinenpistole tatsächlich direkt aus der Hand Giulios stammt?« fragte Da Piemonte mit gezierter Spitzfindigkeit.
    Carl und Joar wechselten einen Blick. Sie fühlten sich wie Dorftrottel.
    »Aber wir haben ihm doch die Maschinenpistole weggenommen, da gibt es doch gar keinen Zweifel. Wir sind doch Augenzeugen«, erklärte Joar verzweifelt.
    Oberst Da Piemonte sah unverstellt verblüfft aus. Er sah erst den einen, dann den anderen Gast an, um sich zu vergewissern, daß sie ihn nicht auf den Arm nehmen wollten.
    »Augenzeugen!« platzte es aus ihm heraus, als er erkannte, daß die Schweden es tatsächlich so meinten, wie einer von ihnen es gesagt hatte. »Augenzeugen! Sie meinen, man geht vor Gericht, schwört einen Eid, sagt vor den Geschworenen aus, und so weiter! Meine Herren, wir sind hier in Palermo. Hier werden keine Zeugenaussagen gemacht. Erstens pflegen Zeugen nicht so lange zu leben, daß sie überhaupt in den Zeugenstand treten können, und sollte es irgendein Überlebender zufällig bis dahin schaffen, sind die Geschworenen der festen Überzeugung, daß der Betreffende verrückt sein muß, da er überhaupt aussagen will. Aus diesem Grund schenkt man seiner Aussage erst dann Glauben, wenn es zu dem Mord an dem Zeugen kommt. Dann glaubt man ihm. Lebende Augenzeugen aber, meine Herren, besitzen hier auf Sizilien keinerlei, und ich meine das wirklich, keinerlei Glaubwürdigkeit.«
    »Das nenne ich ein deutliches Wort«, bemerkte Carl trocken.
    »Aber es kann doch wohl nicht direkt ein Nachteil sein, wenn wir die beschlagnahmten Waffen mit einem bestimmten Verbrechen in Verbindung bringen können?«
    »Nein, natürlich nicht, das könnte sich schon irgendwie als bedeutsam erweisen«, gestand Da Piemonte großzügig zu.
    »Also, wenn wir uns ein bißchen mehr in die Anthropologie vertiefen wollen«, sagte Carl und versuchte, etwas von seiner und Joars plattgemachter Würde zurückzugewinnen, »so gab es einen Zwischenfall mit dem Mädchen, also der kleinen Sechsjährigen.«
    Oberst Da Piemonte riß entsetzt die Augen auf.
    »Nein, Sir, nicht so, wie Sie glauben, nichts Unangenehmes«, ergänzte Carl schnell. »Als wir unseren Gastgeber verlassen wollten, hatte ich mit ihm einen kurzen Wortwechsel über Ethik. Ich zeigte auf das Mädchen und stellte fest, daß wir die Kleine als Schutzschild mitnehmen könnten, wenn wir ganz sichergehen wollten, nicht beschossen oder in die Luft gesprengt zu werden. Ich wies aber auch darauf hin, daß sich ein richtiger Mann so nicht benimmt, oder wie man das ausdrücken soll. Als Gegenleistung dafür verlangte ich Mr. Tommaso das Ehrenwort ab, unsere Abfahrt nicht zu stören. Und er hat Wort gehalten. Daher jetzt meine Frage: Funktioniert das sozusagen auch in umgekehrter Richtung?«
    »In allerhöchstem Maße«, bestätigte Da Piemonte nachdenklich. »In allerhöchstem Maße. Sie haben sich als ebenbürtiger Mann und als richtiger Mann erwiesen, verstehen Sie? Don Tommaso wird fast aufrichtig um Sie trauern, wenn er Sie umbringen läßt. Und er wird möglicherweise dafür sorgen, daß es würdig und ohne demütigende Umstände

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