Unternehmen Vendetta
Klatschpresse. Folglich fiel die Wahl auf Expressen, der zwar eine Abendzeitung ist, aber immerhin Schwedens größtes Blatt. Es war nicht anzunehmen, daß Expressen mit den großen Unternehmen so unter einer Decke steckte wie die Morgenzeitungen, auf die ihre Männer abonniert waren. Beide hatten reichlich Erfahrung damit, wie die verantwortungsbewußte Rechtspresse immer wieder genau die Dinge vertuschte, die unter anderem ihre Männer von Zeit zu Zeit vertuscht wissen wollten. Daher die Wahl von Expressen.
Anfänglich war es ihnen schwergefallen, ihren Gesprächspartner zu überzeugen. Dieser hatte sie beinahe ausgelacht. Der Journalist, ein ziemlich unverschämter und skeptischer Reporter, hatte zu einem Kollegen in der Nähe etwas gesagt wie »schon wieder so ‘ne durchgedrehte Alte«.
Nach einigem Hin und Her hatte der Reporter schließlich doch darum gebeten, Namen und Telefonnummer zu erhalten, um sich nach ein paar Kontrollanrufen wieder zu melden.
Und als er nach weniger als einer Viertelstunde zurückrief, hatte sich seine Haltung gründlich verändert. Die Bescheide, die er sowohl von Bofors wie vom Außenministerium erhalten hatte, ließen sich nämlich in zwei Wörtern zusammenfassen:
Kein Kommentar.
Nun mußte alles von vorn beginnen und sorgfältig aufgenommen werden.
Die sizilianische Mafia hatte folglich zwei schwedische Bofors-Direktoren entführt. Der abgeschnittene Zeigefinger eines der beiden war mit einem Brief ans Außenministerium in Stockholm geschickt worden, in dem Verhandlungen vorgeschlagen wurden. Es war jedoch nichts unternommen worden. Man hatte Frauen und Kinder einfach nur beiseite geschafft. Das Außenministerium hatte nicht gehandelt, und auch das schwedische Großunternehmen war untätig geblieben. Das war also ein prachtvoller Skandal, eine Riesenstory, und das bedeutete am folgenden Tag Aushänge mit Kriegsschlagzeilen.
Daß Publizität früher oder später unvermeidlich war, war jedem klar, der in die Sache verwickelt war. Weniger selbstverständlich und unangenehmer war die Möglichkeit, daß eine zu frühe Publizität für die Entführten den Tod bedeuten konnte. Das war etwas, was die beiden verzweifelten Frauen nicht verstanden und was den Journalisten vermutlich gleichgültig war.
Carl hatte an seinem dritten Tag in Palermo einen miserablen Start. Joar und er hatten sich darauf verständigt, auszuschlafen, das Frühstück zu überspringen und um die Mittagszeit irgendwo einen Kaffee zu trinken, da sie sich nachts bei der Rückkehr ins Hotel von dem vielen Essen wie ausgestopft fühlten. Falls sie überhaupt je wieder etwas essen würden, dann mußte es mindestens bis zum folgenden Abend warten.
Carl war früh aufgewacht, immer noch satt an der Grenze zur Übelkeit, einer Übelkeit, die noch durch Assoziationen aus irgendeinem Traum verstärkt wurde, der etwas mit Tintenfisch-Spaghetti zu tun hatte.
Im Kühlschrank stand Mineralwasser. Eine Flasche mit einem grünen und eine mit einem rosa Etikett. Er trank die Flasche mit dem rosa Etikett in wenigen Zügen aus und wurde in dem Augenblick, in dem er die Flasche abstellte, von heftigen Gewissensbissen attackiert.
Es war erstaunlich leicht anzurufen. Neben dem Telefon und der kaputten Radioanlage gab es sogar Anweisungen in mehreren Sprachen, nicht nur auf italienisch. Es war immer noch früh am Morgen.
Eva-Britt nahm nach dem siebten Läuten ab. Sie sei nachts lange auf gewesen, erklärte sie. Es sei etwas mit Johanna Louises Magen, nichts Ernstes, wie es scheine, aber genug, um ihr die Nacht zu verderben.
Sie könne nicht verstehen, weshalb er nichts von sich habe hören lassen. Seine Erklärungen, es habe viel zu tun gegeben, jedoch absolut nichts Gefährliches, kein Grund zur Sorge, nur Kleinigkeiten, provozierte sie nur zu Gegenargumenten. Ob er nicht kapieren könne, daß er sich melden müsse? Ob er sich nicht vorstellen könne, daß sie sich Sorgen mache? Wenn es nur Routinearbeit gewesen sei, hätte ihn das doch nicht daran hindern können, zum Telefon zu greifen?
Er verhedderte sich mit seinen Entschuldigungen. Es war kein gelungenes Gespräch.
Anschließend rief er sofort Tessie an. Auch sie erklärte, sie könne überhaupt nicht verstehen, weshalb er sich nicht gemeldet habe, und so weiter. Ob er vor seiner Abreise mit Eva-Britt gesprochen habe?
Er sagte, er habe urplötzlich abreisen müssen, was die Rechtsanwältin am anderen Ende in einem schnellen Verhör zerpflückte. Er versprach, sich in
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