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Unternehmen Vendetta

Unternehmen Vendetta

Titel: Unternehmen Vendetta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Wagen war, drehte Carl den Kopf, um die Lage einzuschätzen, schaffte es jedoch nicht mehr, etwas zu erkennen, da Joar schon eine Vollbremsung gemacht und damit den Abstand zum Motorrad vergrößert hatte. Als Joar dann wieder beschleunigte und auf das Motorrad zufuhr, entdeckten sie etwa gleichzeitig, daß der Mitfahrer eine Frau war. Da machte Joar erneut eine Vollbremsung mit kreischenden Reifen. Die beiden jungen Leute sahen sich erschreckt und fragend um, bevor sie den Abstand vergrößerten und hinter der nächsten Kurve verschwanden. Carl und Joar wechselten nur einen vielsagenden Blick, da es nichts zu sagen gab.
    Carl begann auf der Karte zu suchen. Ein kleiner Ort auf dem Weg sollte Sambuca di Sicilia heißen. Hatte das etwas mit diesem weißen Anislikör zu tun, in den man ein paar Kaffeebohnen legt? fragte sich Carl. Zumindest oben in Europa.
    Unbewußt hatten beide schon längst aufgehört, Sizilien als Teil Europas anzusehen.
    Sie kamen an eine Gabelung und mußten sich für Ost oder West entscheiden, um ein Bergmassiv zu umfahren. Die Straßen zur Küste und zur Hafenstadt Sciacca schienen etwa gleich lang zu sein, aber da Sambuca di Sicilia auf der westlichen Straße lag, wählten sie die. Überdies würden sie ein Dorf namens Giuliana passieren, was ein schöner Name war und ein weiterer Grund, den Westen dem Osten vorzuziehen. Sie witzelten über eine eventuelle künftige Ermittlung, bei der Kollegen oder Polizeibeamte monatelange Bemühungen auf die Frage verwenden würden, weshalb sie den Weg gewählt hatten, der in den Hinterhalt führte, ob jemand Kontakt mit ihnen aufgenommen und ihnen den unglückseligen Rat gegeben hatte, wann und wie dies geschehen sein konnte, vielleicht während des Aufenthalts in Corleone. Dann würde sich die Frage erheben, ob die Corleonesen beteiligt waren, und am Ende würde man natürlich eine glaubhafte, kunstvoll entwickelte und teilweise dokumentierte Theorie entwickeln, welche die künftige Ermittlung auf einen Irrweg führen würde, weil niemand auf die Idee kommen konnte, daß die beiden in Sambuca di Sicilia die Herkunft des gleichnamigen Likörs vermutet hatten. Wahrscheinlich hatten sie schon selbst oft solche Überlegungen und Berechnungen auf gleichermaßen unsicherer Grundlage angestellt. So ist es nun mal in dieser Welt: Die meisten Entschlüsse haben einen bedeutend weniger rationalen Hintergrund, als sich der Feind vorstellt.
    Der Verkehr war inzwischen fast zum Erliegen gekommen, was vielleicht etwas mit der Mittagshitze zu tun hatte. Sie erreichten eine Allee mit hohen Pinien. Der kräftige Nadelwaldduft kühlte sie. In den Baumkronen zirpten ganze Armeen von Zikaden.
    Giuliana war nicht nur ein schöner Name, sondern das Dorf sah aus wie ein Gemälde, so wie man sich Sizilien vorstellt. Sie entdeckten es, als sie die Pinienallee verließen, und Joar hielt sofort am Straßenrand an. Sie blieben eine Weile still im Auto sitzen und blickten zu dem Dorf hoch, das wie eine Krone auf der Kuppe eines kleinen Bergs lag. Die Wände der äußersten Häuser stiegen wie eine Fortsetzung des Berges direkt nach oben; die Menschen, die dort wohnten, mußten eine schwindelerregende Aussicht haben und sich ewig um ihre Kinder sorgen, denn die senkrechte Fallhöhe betrug mindestens hundert Meter.
    Sie spekulierten eine Zeitlang über die dieser Bauweise zugrundeliegende Verteidigungsabsicht, in welcher Zeit das Dorf entstanden sein mochte und vor welchen möglichen Belagerern man sich hatte schützen wollen. Giuliana erinnerte sie an Don Tommasos Methode, sich an der Steilküste eine sizilianische Festung zu bauen, ein Haus, dessen eine Längsseite eine Fortsetzung des Steilhangs war. Don Tommasos Festung war jedoch keineswegs uneinnehmbar. Das wußten sie schon, ohne näher darüber gesprochen zu haben.
    Ein schmaler, gewundener Weg führte zu dem Dorf hoch, doch sie beschlossen, nicht noch einmal der Versuchung zu erliegen, die Touristen zu spielen. Corleone war beunruhigend genug gewesen.
    Sambuca di Sicilia war nichts weiter als eine weitere Ortschaft in der langen Reihe und vermittelte keine besonderen Eindrücke oder Assoziationen, die an Likör oder Geschichte, Krieg oder Tod denken ließen.
    Auf dem Weg zum Meer hinunter öffnete sich die Landschaft, und sie fuhren abwechselnd durch Weingärten und ausgedörrte Stoppelfelder in Richtung Sciacca, während die Hitze über dem Asphalt flimmerte, so daß die wenigen entgegenkommenden Wagen zunächst

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