Unternehmen Vendetta
unregelmäßige Formen annahmen wie bei einer Fata Morgana. Das Dröhnen des Fahrtwinds, der durch die heruntergekurbelten Seitenscheiben in den Wagen drang, machte Gespräche unmöglich, aber der Windzug trocknete wenigstens ihren Schweiß.
Sciacca war eine bedeutend größere Stadt, als sie erwartet hatten. Sie mußte mehrere hunderttausend Einwohner haben.
Sie fuhren in die Stadtmitte, die hoch oben lag, parkten den Wagen und fanden schnell einen großen Marktplatz mit einem Kranz staubiger Palmen und wenigen Steinbänken, auf denen kleine Gruppen älterer Männer mit Schirmmütze und Krawatte saßen und sich leise unterhielten, als machte ihnen die Hitze nicht das geringste aus. Am Rand des Platzes fiel ein Hang steil zum Hafen hin ab. Sciacca war ebenfalls wie eine Festung gebaut. Hauswände und Wehrmauern hatten die Stadt für die Militärtechnik früherer Zeiten uneinnehmbar machen sollen.
Am einen Ende des Platzes ragte eine kleine Terrasse heraus, und dort lag ein einfaches Restaurant namens Miramar. Dieses Lokal machte seinem Namen endlich einmal alle Ehre, denn die Aussicht aufs Meer war unendlich. Sie gingen hinein und setzten sich an einen Fenstertisch, um freie Aussicht auf den Hafen zu haben. Zwei lange Piers erstreckten sich vom Strand ins Meer. Die äußere beschrieb einen weiten Bogen und diente als Wellenbrecher und Schutz, die innere war nur leicht geneigt, so daß die Arme der beiden Piers die aufgereihten Fischerboote gleichsam umarmten.
Sie betrachteten die Fischerboote aufmerksam. Diese waren gut ausgerüstet und recht groß. Im Moment lagen rund hundert am Kai, und man konnte davon ausgehen, daß ihre Gesamtzahl etwa doppelt so hoch war. Die Boote erweckten den Eindruck, als könnten sie eine ganze Woche auf dem Meer bleiben und überdies mit schwerer See fertig werden. Der Hafen war schwer zu überwachen, da es dort keine richtige Küste gab, nur einen kurzen Strandstreifen, der an Bergwänden und Befestigungsmauern endete. Kein Fremder würde sich draußen auf den langen Piers bewegen können, ohne Aufmerksamkeit zu erregen.
Sie bestellten beide Tomatensalat und Mineralwasser und mußten recht ausführlich erklären und versichern, daß sie tatsächlich nicht mehr essen wollten. Der Restaurantbesitzer, ein Mann mit langem Haar und einem kunstvoll gezwirbelten Schnurrbart, der an Salvador Dali erinnerte, ließ sich erst nach einer langen Diskussion davon überzeugen, daß die klägliche Bestellung ernst gemeint war.
Ausländer würden nie eine Möglichkeit haben, diesen Hafen auf sinnvolle Weise auszuspähen. Man konnte vermuten, daß Don Tommasos Bande ihre Schmuggelware von hier aus nach Libyen verschiffen wollte. Diese höchst fragwürdige Gewißheit half trotzdem nicht sehr viel weiter, da es ihnen beiden nie gelingen würde, sich davon Kenntnis zu verschaffen, welche Boote in Frage kämen. Noch weniger konnte es ihnen gelingen, an Bord eines dieser Boote zu gelangen, um etwa eine Sprengladung anzubringen, einen Peilsender zu verstecken oder derlei. Wenn das schwedische Schmuggelgut erst mal auf Sizilien war, würde es schon bald in Sciacca ankommen. Und wenn es dort angekommen war, würde kein schwedischer Einsatz den Weitertransport verhindern können. Das war eine strenge, aber vollkommen selbstverständliche Schlußfolgerung.
Wenn Don Tommaso es schaffte, mit der Ware Sciacca zu erreichen, hatte er schon gewonnen. Die Gegenmaßnahmen mußten also unbedingt in einem weit früheren Stadium erfolgen. Sie beschlossen, den Rest des Tages Besichtigungen zu machen und sich nach und nach in die Region um Castellammare zurückzubegeben, Don Tommasos Heimatbasis. Sie wollten sehen, ob sie irgendwo ein Gebiet finden konnten, in dem sie sich nicht sofort verirrten, ein Gebiet mit mehreren Zu und Abfahrtsmöglichkeiten, ein Gebiet, das auf keinen Fall bergig sein durfte und eine weite Sicht erlaubte. Sie mußten jetzt damit beginnen, sich auf operative Einsätze vorzubereiten. Unabhängig von jeder Wahrscheinlichkeitsrechnung mußten sie sich so vorbereiten, als würden sie das Spiel gewinnen.
Åke Malm hatte eine Eigenheit, die unter den Auslandskorrespondenten in Rom nicht sehr verbreitet war. Er fuhr mit dem Motorroller zur Arbeit im Presseclub in der Via de la Mercede.
Einer der Gründe war, daß er schon seit mehr als zwanzig Jahren in Rom wohnte und daß jeder normale Mann, ob Journalist oder nicht, es schon nach bedeutend kürzerer Zeit leid war, ständig nach einem Parkplatz
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