Unternehmen Vendetta
von allen vergessen, und dann würde es auch das Bild da an der Wand nicht geben. Unsere amerikanischen Freunde sind verdammt geschickt darin, aus ihren Gegnern Märtyrer zu machen, ob sie nun Schurken sind oder nicht. Das gilt für Che Guevara wie für Saddam Hussein.«
»Und der nächste wird Ghaddafi sein?«
»Glaubst du?«
»Ja, warum nicht? Die USS Nimitz, USS Saratoga, USS Constellation, und wie sie alle heißen, müssen ja wohl irgendwohin, jetzt wo sie mit dem Persischen Golf fertig sind. Es gibt immer irgendeinen neuen Schurken, der die ganze Welt bedroht, und Ghaddafi dürfte wohl passend sein.«
»Ja, der käme durchaus in Frage.«
Das Gespräch verebbte. Sie wechselten ein paar Blicke, als wollten sie sich vergewissern, daß sie beide in die gleiche Richtung dachten. Die Reichweite der Rakete Nummer 15 betrug siebzig Kilometer. Das war die nicht anerkannte Seegrenze, gegen die irgendwann ein Flugzeugträger demonstrieren würde, indem er sich der libyschen Küste näherte, um mindestens eine Rotte von Jagdflugzeugen in die Luft zu locken, die man dann abschießen konnte.
Die Fischreste wurden abgetragen, und beide versicherten erneut, daß sie nichts weiter essen wollten.
»Wie würde die amerikanische Öffentlichkeit auf solche Fernsehbilder reagieren? Die USS Midway geht mit 5000 Mann und einhundertzwanzig Maschinen an Bord mit dem Heck in die Luft und verschwindet mit wirbelnden Schiffsschrauben im Mittelmeer?« fragte Joar.
Das war eine phantastische Frage, ein phantastisches Problem, das eine nie gekannte Schockwelle in den gesamten USA auslösen würde. Diese Phase würde ein paar Tage dauern. Dann die Rufe nach Rache, die Forderung nach Atombomben oder der Asphaltierung ganz Libyens. Die UNO würde in eine verzweifelte Situation geraten, wenn sie versuchte, im Nahen Osten einen neuen Vernichtungskrieg zu verhindern. Wenn die Versenkung des Flugzeugträgers vor der Wahl erfolgte, wäre der Präsident ein sicherer Verlierer, wenn er nicht Rache übte. Aber wie soll man einen ganzen Flugzeugträger rächen? Vermutlich würden die Amerikaner sämtliche Regierungsgebäude in Tripoli zerstören und wieder den Versuch unternehmen, Ghaddafi persönlich zu erwischen. Vielleicht würden sie auch versuchen, die Ölförderanlagen des Landes zu vernichten und anschließend einen Ölboykott gegen Libyen verhängen. Sie würden ihre europäischen Verbündeten dazu drängen, es ihnen nachzutun, was vielleicht nicht ganz leicht sein würde. Die Europäer würden nicht ohne weiteres die amerikanische Auffassung teilen, daß es ein Bruch des Völkerrechts sei, sich gegen angreifende Flugzeugträger zu verteidigen. Schweden hätte einige Mühe, das Vorhandensein bestimmter Waffen in Libyen zu erklären. Das war weniger stimmter Waffen in Libyen zu erklären. Das war weniger lustig. Bofors hätte eine fabelhafte Werbung für seine Produkte, erheblich besser als die Franzosen für ihre Exocet-Raketen während des Falkland-Kriegs. Was keine sehr große Rolle spielte, da die Franzosen ihre Raketen jetzt ohnehin an niemanden mehr verkaufen durften.
Wie das Vorspiel auch ausging, es würde mit der Vernichtung Libyens enden. Ghaddafi würde Märtyrer werden wie etwa Che Guevara dort an der Wand.
Es sei besser für Libyen, meinte Carl, sich nicht gegen die USA verteidigen zu können, als die Möglichkeit zu haben, einen Schwarm der Rakete Nummer 15 auf einen Flugzeugträger abzuschießen. »Was zu beweisen ist. Folglich gilt es auch aus dem Grund, dafür zu sorgen, daß Don Tommaso sein Geschäft nicht zustande bringt. Demnach ist unser Auftrag gut. Was auch zu beweisen ist.«
Das Restaurant hatte sich inzwischen mit Gästen gefüllt, und da sie jetzt in unmittelbarer Nähe Tischnachbarn hatten, beendeten sie automatisch ihr Gespräch über alles, was international leicht zu begreifende Ausdrücke oder Waffenbezeichnungen enthalten konnte.
Zum ersten Mal wurden sie statt dessen tief persönlich, obwohl sie eher zufällig auf solche Themen zu sprechen kamen. Carl hatte, um den Themenwechsel zu markieren, eine Frage nach Joars Privatleben gestellt.
Joar wand sich zunächst ein wenig, da er sich davor gefürchtet hatte, davon zu sprechen. Vom dienstlichen Standpunkt aus betrachtet war es trotzdem etwas, was er mit seinem nächsthöheren Vorgesetzten besprechen mußte, also mit Carl.
Joar holte Luft und begann: »Also, im Augenblick sieht es so aus, daß ich mir überlege, ob ich mit, nun ja, natürlich mit einem
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