Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unternehmen Vendetta

Unternehmen Vendetta

Titel: Unternehmen Vendetta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
Vom Netzwerk:
Sekunden, bevor er höhnisch einen langen Mittelfinger in die Luft reckte und ihn mehrmals auf und nieder bewegte. Dann klopfte er dem maskierten Fahrer auf die Schultern; die Kawasaki schoß zwischen den Tonkübeln los und kreuzte in Richtung Einbahnstraße.
    Jetzt ertönten die ersten Schreie, und so, wie man einen Videofilm aus dem Stillstand in Bewegung setzt, herrschte plötzlich totales Chaos im Café. Carl rannte zu Joar hin, drehte ihn auf den Rücken und riß ihm mit einem einzigen Ruck das Hemd ab.
    Joar lebte noch. Er versuchte, etwas zu sagen, hustete und schnaufte jedoch wegen all des Bluts, das ihm in Wellen aus dem Mund schoß. Carl inspizierte verzweifelt die Verletzungen. Beide Lungenflügel waren offenbar durchschossen, der Bauch, die Schultern, ein Arm war zerschossen, so daß zertrümmerte Knochensplitter und ein großer Teil des Oberarmknochens aus einer breiten, pulsierenden Wunde ragten. Carl schrie nach einem Krankenwagen, während er sich verzweifelt den Gürtel abriß, um zunächst den Blutstrom der pulsierenden Wunde zu stillen. Dann riß er kleine Fetzen von Joars Hemd ab und preßte sie in die Einschußlöcher, die eine gurgelnde Oberfläche mit hellrotem Lungenblut aufwiesen. Gleichzeitig riß Joar die Augen auf. Die Pupillen weiteten sich, und der Blick wurde starr, während er immer noch etwas zu sagen versuchte, was durch den Blutstrom aus dem Mund ertränkt wurde.
    Carl betastete Joars Brustbein. In dieser kritischen Region sah er nur einen oder zwei Treffer, die das Herz vielleicht verfehlt hatten. Doch als er es mit einer Herzmassage versuchte, schossen an zehn bis fünfzehn Stellen kleine Fontänen hoch, an denen das Blut im Takt mit jedem Stoß gegen Joars Brustbein hervorquoll oder hochspritzte. Irgendwo war schon die Sirene des Krankenwagens zu hören. Zwei kurze Signale, ein kurzes, und dann noch mal ein langes. Carl versuchte es mit Mund-zu-Mund-Beatmung und gab nicht auf, obwohl er hörte und spürte, wie die Luft, die er in Joar hineinzupressen versuchte, in dessen Hals blubberte und gurgelte und fauchte und durch die perforierten Lungenflügel wieder herausschoß, so daß sich schimmernde kleine Trauben von Luftblasen bildeten, in denen sich das Sonnenlicht spiegelte wie bei Kindern, die mit Seifenblasen spielen.
    Die Krankenwagenbesatzung riß Carl zur Seite. Einer der Männer trocknete ihm den Mund ab, der mit Joars Blut getränkt und verschmiert war. Hinterher erinnerte sich Carl auch an den Blutgeschmack im Mund und daran, daß ihm plötzlich kalt geworden war. Vielleicht hatte er auch Blut gespien und sich sogar übergeben, obwohl er sich nicht daran erinnern konnte. Er drängte sich trotz der Proteste der Krankenwagenbesatzung mit in den Wagen und schrie die Männer an, sie sollten mit den Wiederbelebungsversuchen fortfahren. Sie schüttelten jedoch nur den Kopf und versuchten statt dessen, ihn zu untersuchen, um zu sehen, ob die zahlreichen Blutflekke, die er an Kleidern, Händen und im Gesicht hatte, von irgendwelchen Wunden herrührten. Carl schlug um sich und begrub das Gesicht in den Händen, so daß er sich erneut mit Joars Blut beschmierte, und begann jetzt wie vor Kälte zu zittern, als die Erkenntnis den Schock einzuholen begann. Er versuchte nachzudenken. Rund zwanzig Treffer aus nächster Nähe, beide Lungenflügel durchschossen, die meisten inneren Organe getroffen, vermutlich auch Herz und Rückgrat: Joar hatte nur noch einige Sekunden gelebt. Carl weinte vermutlich sogar, hinterher konnte er sich nicht daran erinnern.
    Im Krankenhaus hatte man es nicht eilig, als Joar in die Notaufnahme gerollt wurde. Carl folgte mit zitternden Knien. Er taumelte fast und stützte sich auf den Krankenwagenfahrer. Man setzte ihn in eine Art Wartezimmer, und jemand stellte ihm ein Glas Wasser hin und legte ein paar weiße Pillen dazu, doch er weigerte sich, sie zu nehmen.
    Ein Arzt erschien und versuchte, mit ihm Italienisch zu sprechen. Carl erklärte, er spreche nur Englisch und brauche ein Telefon. Er schien sich nicht verständlich machen zu können.
    Dann erschien die Polizei. Jemand hielt ihm das tragbare Telefon hin, das er ins Café mitgenommen hatte, und fragte etwas. Carl nickte, nahm das Telefon entgegen und versuchte den Obersten anzurufen, den Chef der Carabinieri. Er hatte jedoch den Namen vergessen und erinnerte sich nicht einmal mehr an die ersten Zahlen der Telefonnummer. Er reichte dem Beamten hilflos das Telefon und schüttelte den Kopf.
    Ein anderer

Weitere Kostenlose Bücher