Unternehmen Wahnsinn
Wirklichkeit zu tun haben müsste. Beim Thema Wahnsinn ist die Bedeutung der Kommunikation durchaus beachtlich, denn: Wer etwas versteht – und wer sich verständlich machen kann – der wird erstmal nicht verrückt. Dagegen ist, wer »nichts mehr versteht« und permanent kopfschüttelnd durch die Gegend läuft, sehr gefährdet.
Deswegen an dieser Stelle der Blick auf einige Phänomene und Entwicklungen aus der Wörterwelt der Unternehmen – unsortiert und bei Weitem nicht vollständig.
Auf die Möglichkeiten, aus einem Nichts einen Event zu machen, wurde schon verwiesen. Die umgekehrte Variante ist ebenso möglich: Ein Desaster kann so vollständig hinter einer Nebelwand aus Worten verschwinden, dass es sich glatt innovativ anhört. Man lasse sich einmal von einem mehrfach aus Firmen entfernten Manager seinen Lebenslauf zeigen oder erzählen. Es schlackern einem die Ohren, wie viele Projekte er gemanagt, welche Challenges er gemeistert, welche internationalen Erfahrungen er gesammelt, mit wie vielen Branchengrößen er schon zu Abend gegessen hat. Spiegler lernen beizeiten ihre Vokabeln.
Es geht uns also nun um das Unternehmens-Vokabular, insbesondere um drei Sorten: das kriegerische, das beschwörende und das tabuisierte.
War-Wording
Beginnen wir beim genau so genannten und immer beliebter werdenden »war-wording«. »Blutbad« und »Massaker« sind gebräuchliche Begriffe, mit denen man sowohl die Lehman-Pleite beschreibt wie auch das letzte Projektmeeting, das nicht jeder »überlebt« hat. Einige Teilnehmer wurden »standrechtlich erschossen«, wahlweise »einen Kopf kürzer« gemacht. Die Konkurrenz »ausschalten«, sich mit schärferen Gegenargumenten »aufmunitionieren«, um nicht »kapitulieren« zu müssen, vom Kollegen nicht »vors Kanonenrohr« geschoben werden, ihn statt dessen langsam »ausbluten« lassen, das alles ist tägliches Vokabel-Business. Es wimmelt von »Heckenschützen«, »Minenfeldern« und »Störmanövern«. Situationen müssen wie Bomben »entschärft« werden; andernorts muss die Bombe im richtigen Moment gezündet werden. Dem Nachbarbereich wird »Bunkermentalität« vorgeworfen. Das eigene Projekt läuft Gefahr, »an die Wand zu fahren«; man hat »nur noch einen Schuss frei«, »geordneter Rückzug« wird angesagt, bis die nächste »Angriffswelle« gefahren wird. Bis dahin wird »das »Messer gewetzt«, mit oder ohne »Rückendeckung« des Chefs.
Zur Erinnerung: Wir schauen hier auf produzierende und dienstleistende Unternehmen – nicht auf Stalingrad. Die traditionellen und klassischen Hauptkategorien des Wirtschaftens »Produktion« und »Erlös« sind offenbar ersetzt worden. Im täglichen Überlebenskampf geht es nur noch um »Sieg« oder »Niederlage«.
Das kriegerische Vokabular ermöglicht zwei Dinge: Es suggeriert Eindeutigkeit und etabliert eine Sprache der Sieger. Diese dient nicht der Verständigung, sondern signalisiert die Bereitschaft zum Kampf. Oberstes Ziel ist es, niemals der Verlierer zu sein. Die Sprache der Sieger zu sprechen reklamiert die Zugehörigkeit zu den Starken; zu denen, die die Waffen kennen und sie zu benutzen wissen.
Zwischentöne und Widersprüchliches haben da kaum Platz. Obwohl allenthalben von der größer werdenden Komplexität gesprochen wird, von den Planungsunsicherheiten und der generellen Unübersichtlichkeit der dynamischen Weltmärkte, scheint diese Haltung zu dominieren: Je undurchsichtiger die Gefechtslage, desto eindeutiger die Ansage: »Lead, follow, or get out of the way.«
Pfui-Wörter oder: Aparte Tabuisierungen
Von den Siegerwörtern zu den schon verschwundenen oder gerade verschwindenden Vokabeln: »Mittagspause« scheint zu einem solchen »Pfui-Wort« zu werden. Man benutzt es einfach nicht mehr. Verständlich, es herrscht schließlich Krieg. Da gibt es keine Mittagspause.
Ein anderes nostalgietaugliches Wort ist »das Problem«. Es hat sich zur »Herausforderung« entwickelt, die es freudig anzunehmen gilt. Und wer noch das Wort »Überstunden« in den Mund nimmt, müffelt schon von Weitem nach leistungsfeindlicher Bürokratie; wenn schon, dann wird höchstens mal eine »kleine Nachtschicht« eingelegt.
Es gibt ernstere Tabus im Wortschatz. »Überforderung« zum Beispiel. Diese gibt es per se nicht. Hat es nicht zu geben. Denn jede Herausforderung kann bewältigt werden. Wo das Wort dennoch benutzt wird – »er wirkt überfordert« –, ist es nicht die Diagnose einer Konstellation, sondern wird zum Attribut
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