Unterwegs im Namen des Herrn
Brustkorb in Primatenmanier herausdrückt. »Hajduk Split Verein hier, liebenwir alle Hajduk!«, fügt Ivica hinzu, und darauf wird sofort irgendein Schlachtlied angestimmt.
›Na, gute Nacht‹, denke ich, das hier ist langweilige Unorthodoxie, doch da bringt Ivica schon alle mit einer Handbewegung zum Schweigen. Er schnalzt nach der Kellnerin, zählt von seinem goldenen Geldclip ein paar nagelneue Scheine ab und lädt die Frauen am Nebentisch ein, mit uns zu kommen, wozu sie sich nach kurzer Beratung und entgegen jedem gesunden Menschenverstand tatsächlich entschließen.
»Was soll das?«, raunt Ingo mir zu. »Willst du da wirklich mit?«
»Na ja, solche Leute habe ich noch nie aus der Nähe gesehen.«
»Ich auch nicht, und ich weiß genau, warum.«
»Willst du lieber auf Hotelsuche gehen?«
»Natürlich nicht.«
Nichts anderes habe ich von ihm erwartet, und nun gehe ich, flankiert von drei Zweimetermännern, einem kleinen Fettsack und zwei billig wirkenden Frauen, etwas unsicheren Schrittes Richtung Parkplatz. Die Halsschmerzen habe ich mittlerweile unter Kontrolle, das Fieber leider nicht, und ich frage mich, ob noch eine Mexalen drin ist oder ob mich dann die Gospa holt.
Von diesen Überlegungen werde ich abgelenkt durch den Anblick der Wagenflotte, die uns erwartet. Ich finde Autos langweilig und weiß deshalb gar nicht, was für eine Nobelmarke das ist, in deren Kofferraum unser Gepäck nebst Feigen verschwindet. Es sind eher protzige Gefährte, aber wenigstens kann man davon ausgehen, dass es darin nicht nach altem, erhitztem Fleisch riecht.
So ist es auch, und als Ingo erfährt, dass er sogar rauchen darf, lehnt er sich entspannt zurück und beginnt seine Umgebung sichtlich mit neuen Augen zu betrachten. Die Frauen steigen hinter uns bei Mate ein, Zvonko folgt in seinem eigenen Schlitten.
Ich schicke meinem Vater eine SMS : Weißt du wirklich nicht, wovon der lebt? Wohl ein sinnloses Unterfangen, denn erstens liest mein Vater keine SMS , zweitens könnte er sie wegen seines mangelnden technischen Verstands nicht beantworten, drittens werde ich es bald selbst herausfinden. Von Clown bis Auftragsmörder halte ich alles für möglich. Auch Tomy schicke ich eine Nachricht: Melde dich bitte!!!
Mein Telefon läutet. Der Tennislehrer. Ich drücke den Anruf wieder weg. Natürlich wäre es nicht uninteressant zu erfahren, was der Mann von mir will, aber es könnte sich auch um eine schlechte Nachricht handeln. Vielleicht hat das Kreuz an der Wand unseres Hotelzimmers nach unserer Abreise begonnen zu bluten.
Während der Fahrt holt mich die Erschöpfung ein. Die Müdigkeit brennt in meinen Augen, meine Glieder schmerzen, und ich sehne mich nach nichts mehr als nach einem Bett. Ich schaffe es tatsächlich, bei Ivicas gebrüllter kleiner Stadtführung einzunicken, und nach gefühlten zehn Sekunden Schlaf stehen wir vor seinem Haus. Es ist dunkel geworden, und vor dem schmiedeeisernen Tor zur Auffahrt brennen stilisierte Laternen.
»Ivica, bist du der Bürgermeister?«, fragt Ingo.
»Brauche nicht«, antwortet Ivica. »Kann ich kaufen zehn Bürgermeister, was soll ich werden Angestellter von Leute?«
Das leuchtet mir ein, aber neugierig bin ich noch immer. »Ivica, was bist du von Beruf?«
»Bin ich Krankenschwester.«
Er lacht und zeigt Richtung Meer, wo man weit unter uns den Hafen erahnen kann, an dem wir noch vor zwanzig Minuten saßen. Lichter funkeln auf dem Wasser, der Mond scheint hell, gegenüber ragt eine Bergkette auf.
»Spielt dort heute Karl Koks. Willst du lernen kennen?«
Ich will ganz bestimmt keinen Karl Koks kennenlernen, im Augenblick will ich gar niemanden mehr kennenlernen, aber direkten Widerspruch zu äußern, wage ich nicht, weil gerade ein Rudel Kampfhunde angeschlagen hat und auf uns zustürmt. Mir sinkt das Herz in die Hose. Ich habe sogar Angst vor Dackeln, und bei dem Anblick hier sträuben sich mir alle Nackenhaare. Fünf Hunde vom Kaliber eines Hound of the Baskerville springen unter wütendem Gebell vor uns herum. Ivica streichelt sie kurz, dann macht er eine herrische Geste, und sofort geben die Viecher den Weg frei. Erst da erkenne ich, dass mir ein unbedeutender Irrtum unterlaufen ist, die Kampfhunde sind nämlich modisch geschorene Pudel.
Schon an der Garderobe, wo wir die Schuhe ausziehen müssen, fallen mir drei Kreuze auf. Über eine Wendeltreppe aus Edelholz geht es hinauf in den ersten Stock, und hier hängen noch viel mehr Kreuze und Muttergottesbilder. Ingo
Weitere Kostenlose Bücher