Unterwegs im Namen des Herrn
seufzt. Ich halte es für das Beste, alle Glaubenszeugnisse zu ignorieren, und lobe Pracht und Ausstattung jedes Raumes, durch den ich geführt werde, obgleich keiner ohne Kreuze oder leidende Gospagesichter auskommt.
Nachdem wir zur Begrüßung ein Glas Dom Perignon gekippt haben, zeigt uns Ivica unsere Zimmer. Meines ist so groß, dass an der Tür ein Skateboard steht, mit dem man zum Bett fahren könnte – wenn man kann. Ich muss natürlichgleich den Versuch unternehmen und fliege dabei fürchterlich auf die Schnauze. Bei meinem Anblick meldet sich Ingo, der es auch probieren wollte, wieder ab.
»Musst du machen so!«, ruft Ivica. Er steigt auf, und ich staune, mit welcher Behendigkeit dieser Koloss auf dem Skateboard durchs Zimmer saust, er schafft es sogar, dabei den Koffer zu tragen, als sei der schwerelos. Er legt den Koffer auf das Bett, rollt zurück zur Tür und springt ab wie ein Zwölfjähriger.
Ingos Zimmer ist nicht viel kleiner. Ein Skateboard findet sich darin nicht, dafür ein Schlagzeug, das allerdings von Mate gleich mit leichter Hand hinausgeschoben wird, für den Fall, dass sie heute noch trommeln wollen. Dahinter offenbart sich ein Wald aus künstlichen Bäumen, die so hässlich sind, dass Ingo kreischend auflacht. Er kriegt sich jedoch sofort wieder ein und erklärt auf Ivicas Blick hin, genau so einen Wald wünsche sich seine Frau schon lange.
»Tanja ist übrigens hochschwanger«, mische ich mich ein, »es kann jeden Moment so weit sein!«
» TOCHTER ! Trinken wir auf Tochter!«
Ivica bekreuzigt sich, schlägt Ingo mit ernstem Blick auf die Schulter, umarmt ihn, küsst seine Wangen und holt Schnaps aus einer Bar, die im Spiegel der Vorzimmergarderobe versteckt ist.
»Und wenn heute Nacht Kind klopft an Tür von Welt, ich fahre! Fahren wir alle zusamme Austria, und bringt alte Ivica dich zu Frau! Ist Ehre!«
Er fasst sich an die linke Brustseite, und ich sehe, wie Ingo erbleicht und es unter seinem Auge zu flattern beginnt. Zugleich stimmen draußen die Hunde das nächste Gewaltkonzert an. Sekunden darauf schrillt ein Alarmsignal.
Ich erschauere. Lachend beschwichtigt mich Ivica: »Ist nur Glocke von Tor.« Er klopft gegen seine dicke Armbanduhr und sagt etwas zu Zvonko, der wortlos verschwindet. Als er unten die Tür öffnet, wird das Gebell der Viecher ohrenbetäubend. Hoffentlich kommen die nicht ins Haus herein. Zum Glück wird es wieder leiser.
Wir gehen ins Wohnzimmer. Ich lasse mich auf eine Ledercouch fallen und lege die Füße auf den Tisch, als sei ich zu Hause. Wie es mir dabei gelingt, mich ausgerechnet auf meine eigene Sonnenbrille zu setzen, ist mir ein Rätsel, jedenfalls bleiben nur gebrochene Gläser und ein verbogenes Gestell übrig.
»Was wollt ihr? Freunde! Trinken, essen, Film? Habe gute Film!« Er deutet auf den Flachbildschirm an der Wand, der ungefähr so groß ist wie eine Schultafel. »Machen wir schon Party, bevor kommt Karl Koks. Aber nicht schon, kommt schon Freunde, und Frauen, alles Nachbarn.«
›Super, der schleppt uns irgendwelche Nutten an‹, denke ich, das brauche ich wirklich nicht, ist ja ekelhaft. Gerade will ich dieses Detail klären, da meldet sich seit langer Zeit wieder einmal Ingo zu Wort:
»Ivica, darf ein Freund von uns kommen?«
»Ein Freund? Euer Freund ist meine Freund!«
Er küsst seinen Ring und verdreht die Augen zum Himmel.
»Okay«, sage ich, »wir brauchen die Adresse von hier, kannst du sie aufschreiben?«
»Brauche nicht schreiben, gebe mir Hörer und sage ich ihm.«
»Später, wenn wir ihn erreicht haben.«
Mir ist die Situation so unangenehm, dass ich mache,was ich in solchen Fällen immer mache: Ich sperre mich in der Toilette ein und forsche in meinen Hosentaschen nach Unterhaltung. Im Augenblick sind sie voll mit Broschüren und Faltblättern aus Medjugorje.
BOTSCHAFT VOM 25. 02. 2007
Liebe Kinder! Öffnet euer Herz in dieser Fastenzeit der Barmherzigkeit Gottes. Der himmlische Vater möchte jeden von euch aus der Sklaverei der Sünde befreien. Deshalb, meine lieben Kinder, nutzt diese Zeit und gebt eure Sünde ab durch die Begegnung mit Gott in der Beichte und entscheidet euch für die Heiligkeit. Tut dies aus Liebe zu Jesus, der euch alle durch Sein Blut erlöst hat, damit ihr glücklich und in Frieden sein werdet. Vergesst nicht, meine lieben Kinder, eure Freiheit ist eure Schwäche, deshalb folgt meinen Botschaften mit Ernsthaftigkeit. Danke, dass ihr meinem Ruf gefolgt seid!
Nach einer
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