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Unterwegs in der Weltgeschichte

Unterwegs in der Weltgeschichte

Titel: Unterwegs in der Weltgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Christian Huf
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seine Vormachtstellung auf der Peloponnes aufzugeben. An beiden Orten wurden die Gesandten getötet.
    Damit war, aus persischer Sicht, das Maß voll. Der Großkönig schickte eine Expeditionsflotte in die Ägäis, um die Unterwerfung Griechenlands nun – möglichst rasch – mit militärischen Mitteln durchzusetzen.
    Der Feldzug begann verheißungsvoll. Zunächst traf es Eretria, den anderen Bündnispartner der ionischen Rebellen. Die Stadt wurde zerstört, die Bevölkerung verschleppt. Erstmals traten nun die Perser im griechischen Mutterland in Erscheinung.
    Im Spätsommer 490 v. Chr. näherte sich die gewaltige persische Armada der Nehrung von Schoinias, einer Landzunge nahe der Ebene von Marathon, 37 Kilometer nördlich von Athen, wo 20 000 Infanteristen und Reiter an Land gingen. Die Stadt war unmittelbar bedroht und schickte Eilboten nach Sparta, um Unterstützung einzufordern. Dort weigerte man sich allerdings mit dem Hinweis auf die gerade stattfindenden Festlichkeiten zu Ehren des Gottes Apollon, die eine gleichzeitige Teilnahme an kriegerischen Handlungen verboten. Erst Tage danach wurden Hilfstruppen auf den Weg gebracht.
    Verstärkung kam nur aus Platää. Die Stadt schickte tausend Hopliten – schwer bewaffnete Fußtruppen, die in der geschlossenen Phalanx kämpften. Mit nur 9000 eigenen Hopliten sah sich das Athener Bürgerheer einer erdrückenden Übermacht gegenüber. Aber unter der klugen Schlachtregie ihres Heerführers Miltiades, der die Gegebenheiten des Geländes geschickt für seine Taktik ausnutzte und auch den Frontalangriff nicht scheute, erkämpften die Griechen einen völlig überraschenden Sieg.
    Die persischen Bogenschützen, im Besitz der wichtigsten Fernwaffe ihrer Zeit, zeigten sich der anstürmenden Phalanx der Athener, die den Pfeilhagel weitgehend unterlief, nicht gewachsen. Außerdem hatte Miltiades die Flügel seiner Schlachtreihen verstärkt, weil hier die gefürchtete persische Reiterei erwartet wurde, die aber nicht rechtzeitig Position bezog. Auf diese Weise konnten die Seiten der griechischen Phalanx kampfentscheidend zur Mitte schwenken.
    Die Perser flohen auf ihre Schiffe; ihre Verluste sollen hoch gewesen sein, während die Athener wohl tatsächlich nur 192 Soldaten verloren hatten. Dies jedenfalls ist die Zahl der »Vollbürger«, die gefallenen Sklaven und die Toten aus Platää wurden nicht mitgerechnet.
    Der unerwartete Triumph war nicht nur ein militärisches Ereignis, er war auch ein Sieg der athenischen Verfassung, wie sie Kleisthenes geschaffen hatte. Ein neues Gefühl der Zusammengehörigkeit war entstanden, das sich durch die Mischung der zehn Phylen-Regimenter auch auf das Schlachtfeld übertrug.
    Athens Selbstbewusstsein war markant gestärkt. Auch deshalb, weil der epochale Sieg ohne die Spartaner zustande gekommen war. Diese trafen so spät ein, dass sie gerade noch das Schlachtfeld besichtigen und mit betretenen Mienen zu Hause davon berichten konnten. Ein empfindlicher Rückschlag für Spartas Hegemonialansprüche auf der Peloponnes, ein spürbarer Machtzuwachs für Athen, ein kräftiger Vitaminstoß für die attische Demokratie.
    Erst später, im vierten Jahrhundert v. Chr., entsteht die Legende vom Marathonlauf. Ein Krieger in voller Rüstung soll bis in das entfernte Athen gelaufen und nach dem Ruf »Wir haben gesiegt!« tot zusammengebrochen sein. Wie zahlreiche andere Mythen und Erzählungen, die der Schlacht bei Marathon gewidmet wurden, ist auch diese Anekdote nicht belegt. Richtig ist freilich, dass bei der neuzeitlichen Wiederbegründung der Olympischen Spiele im Jahr 1894 der »Marathonlauf« als eigenständige Disziplin eingeführt wurde – in der Tat unter Bezugnahme auf dieses Schlüsselereignis antiker Geschichte, bei dem, wie es der Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel ausdrückte, »der Lauf der ganzen Weltgeschichte zitternd in der Schwebe hing«.
    Für den persischen Expansionsdrang war die Niederlage gegen einen als zwergenhaft empfundenen Gegner ein Dämpfer, für die Großmacht selbst eine Demütigung, ein Pfahl im Fleisch der Achämenidenherrscher, der sie nicht zur Ruhe kommen ließ. Einer allerdings hatte seine Ruhe inzwischen gefunden, in einer Felswand sechs Kilometer nördlich von Persepolis: Großkönig Dareios I., der im Jahr 486 v. Chr. starb,

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