Unterwegs in der Weltgeschichte
Dschingis Khan fegt mit seinen schnellen Reiterhorden über Dörfer und Städte, dringt bis ins Herz des chinesischen Reiches vor, erobert Peking und wendet sich dann nach Westen. In nur wenigen Jahren, von 1219 bis 1224, zieht das kampfstarke und hochdisziplinierte Heer der Mongolen durch das heute afghanische, pakistanische und iranische Hochland bis nach Russland, zerstört alles, was von Menschen je gebaut wurde, tötet jeden, der sich ihm in den Weg stellt â und verschwindet, scheinbar ohne Grund, wieder in den Weiten des Ostens. Als Dschingis Khan 1227 an den Folgen eines Reitunfalls stirbt und nach Landessitte in einem namenlosen Grab beigesetzt wird, hinterlässt er ein Reich, das sich vom Chinesischen Meer bis an die Grenzen Europas erstreckt und damit als das in seiner Ausdehnung gröÃte der gesamten Weltgeschichte gelten kann.
Der eigentliche Mongolensturm aber sollte jetzt erst beginnen. 1235 wird in der gerade gegründeten Hauptstadt Karakorum ein erneuter Westfeldzug beschlossen. Die asiatischen Reiter nehmen zunächst Moskau ein, zerstören dann Kiew und begründen das Reich der Goldenen Horde in Russland. Sie erreichen in kleineren Formationen Polen, Schlesien, Brandenburg, Mähren, Niederösterreich, Ungarn und Kroatien. Ein deutsch-polnisches Ritterheer wird im Sommer 1241 in der Schlacht bei Liegnitz vernichtend geschlagen. Bald darauf stehen die gefürchteten mongolischen Krieger vor Wien und erreichen dann die Adria. Aber 1242 ziehen sie sich auf die Nachricht vom Tod ihres GroÃkahns wieder weit in den Osten zurück. Möglicherweise waren die Ãberfälle auch nur als Beutezüge und nicht als dauerhafte Eroberung gedacht. Doch Tausende von Toten und verwüstete Landstriche hinterlassen bei den Bewohnern Angst, Schrecken und eine traumatisierte Erinnerung mit Bildern von Leichenbergen und Schädelpyramiden.
Die SeidenstraÃe aber bleibt mit mehreren Routen und vielen Zwischenstationen der Landweg der Europäer für den Handel und den Kulturaustausch mit den asiatischen Völkern. Zwar werden Städte wie Samarkand und Buchara von den Mongolen zerstört und erbarmungslos ausgeplündert, aber insgesamt führt ihre Herrschaft im dreizehnten Jahrhundert nicht zu einem Abbruch, sondern sogar zu einer Intensivierung der Ost-West-Kontakte und zu einer noch direkteren Vernetzung von Asien und Europa. Die mongolischen Herrscher zeigen sich dabei als ausgesprochen gastfreundlich zu auswärtigen Händlern und Reisenden, auch wenn sich deren Länder nicht unterworfen haben.
Auch der Venezianer Marco Polo tritt in dieser Frühphase der Globalisierung eine Reise in den Fernen Osten an und versetzt mit seinen Erlebnissen (1298/99 aufgezeichnet) ganz Europa in Erstaunen. Als 17-Jähriger war Marco Polo 1271 in Begleitung seines Vaters und seines Onkels aufgebrochen, erst 1295, nach fast einem Vierteljahrhundert, kehrt er zurück. Er ist nicht der erste Europäer, der bis zum Hof eines mongolischen GroÃkahns vordringt, aber er wird für alle Zeiten der berühmteste bleiben.
Marco Polo gewann das Vertrauen des Kubilai Khan, der gerade China endgültig unterworfen (und damit auch vereinigt) hatte. Seine Regierungszeit bezeichnet den Zenit des mongolischen Weltreichs. Der Besucher aus Venedig ist geblendet vom Glanz der Paläste und Residenzen, in denen sich der Kaiser als toleranter, weltoffener Herrscher präsentiert, auch wenn nach wie vor die Gesetze der Steppe gelten. Marco Polo erhält Einsicht in die Regierungs- und Verwaltungsgeschäfte, beobachtet aber auch Jagdgewohnheiten und Festlichkeiten, das Wirtschafts- wie das Alltagsleben. AuÃerdem schickt ihn der Khan auf eindrucksvolle »Dienstreisen« in fast alle Teile des mongolisch-chinesischen Machtbereichs.
Marco Polos »Buch der Wunder« zieht den Vorhang beiseite, der den Fernen Osten trotz funktionierender Handelswege dem Blick des Westens entzogen hatte. Die Landkarte Asiens kann nun neu gezeichnet werden. Die Genauigkeit der geografischen Passagen lässt sich aus der korrekten Platzierung der ostasiatischen Länder auf den Portolani â den handschriftlichen Seekarten â des 14. Jahrhunderts ersehen, die eindeutig auf Marco Polos Buch zurückgehen. Die systematische Erforschung der Erde nimmt hier ihren Anfang. 200 Jahre später nimmt Kolumbus den Reisebericht mit an Bord der »Santa Maria«.
Dennoch bleibt die Reise des
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